Gestern (07.03.2020) war der letzte der anstrengenden 3 Tage die an jedem Zyklusbeginn stehen. Das merke ich dann auch immer ziemlich. Am dritten Tag komme ich mir meist vor wie ein ferngesteuerter Schlafanzug. Der Kopf warm vom Cortison, der Körper müde von den Chemomedikamenten. Gegen 12:00 Uhr gebe ich mich dem ersten Nickerchen hin. Wenig später stehen meine Eltern am Bett. Wir laufen ein Stück durch die Klinik, holen uns eine kleine Stärkung beim Bäcker und spielen eine Runde Karten im Innenhof. Aber auch da könnte ich am Tisch wieder einschlafen. Um 16:30 schleppe ich mich auf mein Zimmer und falle einfach nur noch ins Bett. Meine Ohren mit Kopfhörerstöpseln versiegelt, gleite ich knapp eine Stunde durch die Sphären des Dämmerschlafes. Das war gut für den Kopf. Gut für den Kopf sind auch die vielen Möglichkeiten zum Austausch hier. Die Schwestern, Pfleger und Ärzte auf der Station mögen Christian (meinen Zimmergenossen) und mich und kommen, wenn es die Arbeitsauslastung zulässt, auch gern mal auf einen kleinen Plausch in unser Zimmer. Das tut gut.
Mehr gibt es derzeit nicht zum 07.03.2020 zu berichten. Aktuell meide ich den Medienkonsum so gut wie möglich. Man wird ja eh nur noch von Panik und Corona vollgespammt. Danach steht mir momentan nicht der Sinn. Auch die gehäuften Meldungen, dass irgendwelche mental verstorbenen Desinfektionsmittel und Masken aus Krankenhäusern klauen, nerven mich. Normalerweise bin ich eher skeptisch bei solchen Nachrichten, weil ich sie selbst nicht verifizieren kann. Aber diese Klaugeschichten sind wohl echt. Die Chemoschwester auf meiner Station bestätigte mir auch, dass seit letzter Woche mehrerer Kartons mit Desinfektionsmitteln abhanden gekommen seien. Ich hoffe es gibt noch Schutzmasken für das Personal wenn die Umkehrisolationszeit bei mir wieder losgeht. Und alles nur wegen Deppen, die meinen sich mit Nudeln, Reis, Klopapier, Desinfektionsmittel und Masken einzudecken. Da frag ich mich doch, was passiert in diesem Land, wenn hier mal 2 Wochen der Strom ausfällt oder was wirklich schlimmes eintrifft… Aber ich schweife ab und rege mich auf. Auf beides habe ich momentan keine Lust, deshalb: „CUT“!.
08.03.2020:
Heute ist ein eher ruhiger Tag. Mein Zimmergenosse Christian wird entlassen. Schade eigentlich. Ich kam gut mit ihm aus und hätte es auch noch gut und gerne 14 Tage mit ihm ausgehalten. Als „Ersatz“ wird ein älterer Herr auf mein Zimmer verlegt. Ich weiß nicht warum, aber mit älteren Patienten komme ich nicht so gut zurecht. Oftmals sind sie sehr in sich gekehrt und wenig gesprächig. Das kann schnell für (be)drückende Stimmung sorgen.
Der Tag startet durchwachsen. Oder sollte ich sagen durchwacht? Gefühlt war ich die halbe Nacht wach. Effektiv aber „nur“ von 1:30 bis 5:00 Uhr. Dennoch werde ich tagsüber nicht so richtig müde. Nach dem Frühstück gibt es wieder die Chemomedikamente. Aber seit der positiven Nachricht aus dem CT macht mir das nichts mehr aus. Es ist ja jetzt alles absehbar. Auf dem Plan stehen heute auch nur zwei Flüssigmedikamente, von denen eines auch nur Wirkstoff hat und das andere nur meine Hardware, also den Port, durchspült. Das Medikament ist Etoposid und läuft innerhalb einer halben Stunde durch. Danach kommt die Spülung mit Jonosteril. Das dauert knapp über eine Stunde.
Das nächste Highlight ist dann das Mittagessen, je nachdem, wie man es sieht. Es gibt Bulette mit Kartoffelpüree. Nachmittag kommen dann meine Eltern wieder zu Besuch. Ich freue mich immer sehr, wenn sie kommen. Immerhin machen sie sich 250 km auf den Weg aus dem Süden Niedersachsens, kehren bei meiner Schwester in der Nähe von Buxtehude ein und von dort aus geht es mit der S-Bahn nach Hamburg. Vielen Dank an euch alle, dass ihr da für mich so toll zusammenhaltet. Das bedeutet mir viel. Nachdem meine Eltern sich dann gegen späten Nachmittag wieder auf die Rückreise zu meiner Schwester machen, begebe ich mich wieder in unsere Hodgkin-WG zu Christian. Christian ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Er wird aber wohl am Sonntag entlassen. Ich kann nur hoffen, einen einigermaßen erträglichen Zimmergenossen zu kriegen. Aber wir werden sehen. Ach ja, meine Eltern haben mir wieder Leckereien aus dem Eichsfeld mitgebracht. So bunkere ich jetzt lecker Stracke und frisches Bäckerbrot in meinem Schrank. Sieht schon fast aus wie die Hamsterkäufe, von denen man jetzt überall hört. Also muss ich mich wohl outen. Ja, ich hamstere. Hoffentlich kann ich die Tage noch Mundschutzmasken abstauben, dann ist alles perfekt.
Klassischer Fall von Hamsteritis acutis. Ich hoffe, dafür gibt es morgen ein passendes Breitbandantiidiotikum… 😂
Ansonsten befinde ich mich im regen Austausch mit anderen Krebspatienten. Egal ob face 2 face oder digital via facebook oder instagram. Ich bemerke, wie ich scheinbar immer mehr Menschen mit meiner lockeren und positiven Art erreiche. Und auch von Freunden bekomme ich immer wieder Feedback. Ein Freund schrieb mir, dass er sich meinen Rat zu Herzen genommen hat und nun vermehrt von Weißwein auf Rotwein umsteigt, weil Rotwein mehr krebshemmende Wirkstoffe enthält, als weißer. Schon allein dafür hat es sich für mich gelohnt. Aber auch der Austausch mit anderen Krebskämpfern tut gut. Man kan man selbst sein. Man muss sich nicht verstellen, nicht immer stark sein. Man kann einfach alles so sagen, wie es ist.
Ein weiterer wertvoller Austausch entsteht immer wieder zwischen dem ärztlichen Personal und den Schwestern und Pflegern. Christian und ich scheinen eine derart entspannte und entspannende Art zu haben, dass alle gern in unsere Hodgkin-WG kommen um zu plaudern.
Ausserdem übertrage ich noch meine älteren Blogeinträge auf die Plattform „Influcancer“, die es sich zum Ziel gemacht hat, Krebsblogger aus dem deutschsprachigen Raum zu vernetzen um die Krebsawareness zu steigern – und ich freue mich ein Teil dieses Projekts sein zu dürfen. Als ich fertig bin ist es auch kurz vor Mitternacht. Ein langer Tag geht zuende. Heute habe ich mir mal eine Schlaftablette geben lassen, die ich gleich einnehmen werde. Vielleicht klappt es dann mal wieder mit dem Durchschlafen. Denn seit Tag 1 des ersten Zyklusses bin ich nachts mindestens 2 Stunden wach.
Der Tag beginnt stressig. Über Nacht kam noch eine Bestellung im Onlineshop rein, die ich zumindest vorbereiten muss. Um 6:30 Uhr geht es daher für mich hoch. Rechnung drucken, Etiketten drucken, Bauteil verpacken, Unterlagen dazu, frankieren, was die meiste Zeit kostet, das die Internetseite der Deutschen Post zur Frankierung von Warensendungen ins europäische Ausland mehr als unterirdisch ist. Viel zu viele unnötige Klicks und unübersichtliche Gestaltung. In der Zwischenzeit läuft Badewasser in die Wanne. Nachdem ich alles soweit bereitgestellt habe ist auch die Wanne voll und die Uhr zeigt 7:08 Uhr. Ich stelle mir einen Badezeittimer von 22 Minuten und halte den Fuß ins Badewasser. Reflexartig ziehe ich ihn zurück – viel zu heiß. Ich ziehe den Stöpsel um etwas von dem heißen Wasser ablaufen zu lassen. Gleichzeitig läuft kaltes Wasser nach. Immer wieder prüfe ich die Temperatur. Es dauert zu lange, so dass ich das Wasser komplett ablasse und beschließe nur den Waschlappen kreisen zu lassen. Pünktlich um 7:55 Uhr steht das Taxi vor der Tür. Ich greife meine Tasche, den Naschibeutel für das Klinikpersonal, meinen Technikrucksack und das Paket und stratze runter. Ich bitte den Fahrer, noch bitte bei Famila zu halten, damit ich mein Paket noch loswerde und Bargeld am Automaten ziehen kann. Keine Warteschlange – Yeah – weder vor der Post, noch vor der cash machine.
In der Klinik angekommen, melde ich mich an. „Einweisungsschein und Krankenkassenkarte, bitte!“. Den Schein habe ich in der Hand. Aber wo ist die KK-Karte? Die hatte ich doch eben auch noch in der Hand. Hab ich wohl in eine meiner Taschen an Jacke oder Hose gesteckt. Jackentasche 1: Nix, außer Kassenbons und Portmonee. Jackentasche 2: Nix, außer Kopfhörer. Jackentasche 3: Nix, Hosentasche 1: Nix, außer Handy und Kopfhörer. Man braucht ja mittlerweile mehrere Kopfhörer, weil das Handy inzwischen eigene Anschlüsse hat… Hosentasche 2: Nix, außer Perso. Ja, ich habe noch den großen Perso. Der passt nicht in mein scheckkartengroßes Portmonee. Und läuft am 31.05.2020 ab. Hoffentlich hab ich bis dahin wieder Bart und Haare. 🤨 Gesäßtasche 1: Nix. Gesäßtasche 2: Ah, da ist sie ja. Murphy‘s Gesetz. Es ist immer am am Letzten abgesuchten Ort. 😝
Auf Station 3B angekommen, komme ich mir langsam vor wie ein VIP (very important Patient). Alle vom Personal freuen sich, mich zu nehmen und begrüßen mich mit Namen. Ich nehme im Wartebereich Platz. Kurze Zeit später darf ich ins Behandlungszimmer. Ein paar Fragen zu Größe und Gewicht ergeben: ich bin weder gewachsen, noch geschrumpft, habe aber dafür ein wenig abgenommen. Dann gibt’s eine neue Portnadel und zum Funktionstest eine kleine Blutabnahme und Spülung. Danach warte ich noch einmal im Wartebereich. Eine alte Dame kommt rein und fragt, ob noch irgendwo ein Stuhl frei ist. Ist es nicht. Ich stehe auf und sage zu ihr: „Ja, hier!“. Sie bedankt sich und nimmt Platz. Gerade mal 9:nochwas und schon die gute Tat vollbracht. ✅ Die Teamassistentin, die übrigens auch Alex heißt (nicht nur das Team kennt meinen Namen, ich kenne mittlerweile auch die meisten Namen), kommt zu mir und fragt, ob sie mir einen Stuhl bringen soll (VIP treatment halt! 😂). Ich danke lehnend ab lehne dankend mit den Worten ab: „Ich werde wohl in den kommenden Tagen genug liegen und sitzen. 🙂 Aber danke!“. Ich werde wohl noch etwas auf mein Zimmer warten. Es werden erst noch 5 Patienten entlassen, danach müssen Betten umgezogen werden, damit wieder reine Männchen- und Weibchenzimmer entstehen. Ist ein bisschen wie in der Zoohandlung. Aus dem gleichen Grund? Frau Dr. K. läuft am Wartezimmer vorbei, entdeckt mich und lässt es sich nicht nehmen, mich mit den Worten zu begrüßen: „Ah, Herr Heckrodt ist auch wieder da! Alles gut? Wir sprechen uns später!“. Da ist es wieder, das VIP-Gefühl. Ich schwanke zwischen Freude und unangenehm. Während ich also auf mein Zimmer warte, unterhalte ich mich mit Christian. Ich schätze ihn auf Anfang/Mitte 40. Beiläufig habe ich mitbekommen, wie Christians Frau im blauen Ratgeber zum Hodgkin-Lymphom blättert. Sie sagt zu Christian: „Du bist zu früh dran! Das Durchnittsalter bei Erkrankung liegt bei 49 Jahren.“. Ich sitze mittlerweile auf einem freigewordenen Stuhl neben den beiden und sage: „An dem Durchschnittsalter dürft ihr euch nicht festhalten! Ich glaube das stimmt nicht. Ich bin auch deutlich jünger.“ Dann bekomme ich mein Zimmer zugeteilt. Wie am Flughafen werde ich gefragt, ob am Fenster oder an der Tür. Wieder das VIP-Gefühl. Ich nehme gern den Fensterplatz. Ich übergebe die Naschitüte dieses Mal an Teamassistentin Alex, die die ersten Tage meines letzten Zyklusses nicht da war und so leider nichts von den Süßigkeiten abbekam. Ich hab ihr dann ein bisschen was von meinem Candyvorrat abgegeben. Mein Appetit auf Süßes hält sich ja derzeit in Grenzen. Sie freut sich. Kann ich das als zweite gute Tat verbuchen? Zu Anfang ist nur ein Bett im Zimmer, aber noch während ich meine Sachen auspacke und verstaue wird das zweite Bett reingeschoben. Wenig später kommt auch der dazugehörige Patient ins Zimmer. Es ist: Christian. Willkommen in unserer Hodgkin-WG auf Zeit. Da wir uns im Wartezimmer schon ganz gut unterhalten haben, setzen wir das fort. Es läuft gut. Wir reden viel und müssen teilweise von den Schwestern unterbrochen werden, die einen von uns oder gar uns beide untersuchen möchten. Unser „Freund“ Hodgkin ist nicht die einzige Gemeinsamkeit. Christian ist auch Technikfreund, Autoenthusiast und fährt sogar auch einen VW T5. Ebenfalls den 2.5 Liter TDI, auch Silber und ebenfalls mit über 320.000 km. Nur als Multivan und mit kurzem Radstand und 2 Jahre jünger. Aber was für ein lustiger Zufall.
Danach kommen meine Pillen. Ich nehme sie direkt ein, den bald kommen auch schon die Chemobeutel. Der erste Tag ist immer der heftigste. Los geht’s mit CYCLOPHOSPHAMID in der höchstzugelassenen Dosis von 2.813 mg. Von dem Zeug werde ich immer recht müde und die Nasenschleimhaut wird extrem trocken.
Danach kommt ETOPOSID. Das vertrage ich eigentlich recht gut. Den Abschluss bildet DOXORUBICIN. Davon stellte sich in den ersten zwei Zyklen immer das Übelkeitsgefühl ein. In Zyklus I hat das Klinikpersonal das gut mit MCP in den Griff bekommen. In Zyklus zwei bekam ich erst ein anderes Medikament gegen Übelkeit, was aber nicht so gut wirkte, so dass ich gegen Abend doch wieder auf MCP zurückgreifen musste. In diesem Zyklus kam ich am ersten Tag ganz ohne MCP aus. Sehr gut. Ich bekam aber trotzdem prophylaktisch eine Pille gegen Übelkeit. Habe den Namen aber wieder vergessen. Ich gehe davon aus, dass es sich um das gleiche Medikament handelt, dass in Zyklus II nicht so zur Wirkung kam.
Zwischendurch kommt Fr. Dr. K. mit dem Befund vom PEt/CT und verkündet frohe Botschaft: auf den Bildern sind keine Lymphomzellen mehr sichtbar. Wir werden Zyklus III und IV jetzt noch prophylaktisch durchziehen, um auszuschließen, dass kleine, auf dem CT nicht sichtbare Zellen übrig bleiben, die sich dann wieder von neuem teilen können und das Spiel von neuem auslösen.
Zyklus III/IV: der Tumor geht, der Humor bleibt!
Zum Schluss wird dann noch der Port ca. 1 Std. lang mit Jonosteril gespült. Alles in allem gehen mit Getränken und den Chemobeuteln heute wieder knapp 5,5 Liter Flüssigkeit in mich rein. Und die müssen auch irgendwann wieder raus. Manchmal wünsche ich mir den Fernseher eher im Badezimmer als am Bett. Bin ich doch am ersten Tag meist auf Toilette. 😝
Den restlichen Tag verbringe ich mit Musik und Ausruhen. Um 22:00 Uhr fallen mir die Augen zu.
Über den ganzen Tag verteilt schickt Alex mir Bilder aus dem Urlaub im Center Parc, den wir ja letztes Jahr schon gebucht und bezahlt hatten, der jetzt aber leider ausfällt. Aber das gute: mein kleiner Neffe konnte meinen Platz einnehmen. Er und seine Cousinen sehen sich für mein Empfinden leider zu selten, so dass das eine schöne Gelegenheit für alle drei Kids ist, ausgiebig Zeit miteinander zu verbringen. Man merkt es auch an den Schlafenszeiten der Kids, dass sie sich richtig schön austoben. Lara schlief heute bis 9:45 Uhr, ihr Cousin J. bis 10:00 Uhr. Nur unsere große Maxima war um 8:00 Uhr schon wach. Dafür schlief sie um 10:40 Uhr wieder. 😁
Ansonsten habe ich noch ein paar Songs in meine Spotify-Playlist bekommen. Bislang sind um und bei 230 Songs zusammen gekommen. Damit könnte ich hier in der Klinik schon eine ganz gute Party feiern. Aber hier tut sich nicht wirklich was. Hier sind zwar überall diese Stangen aufgebaut, getanzt hat da aber bislang noch niemand dran. Ich hab dann mal auf den Gang geluschert, da liefen aber schon eine Menge als Schwestern, Ärztin oder Arzt verkleidete Menschen rum. Vielleicht ist unser Zimmer ja später dran. 😂
Bislang hat da aber noch niemand getanzt.
Ich glaub das war dann tatsächlich alles für heute… Morgen geht’s weiter!
Liebe Freunde, Familie, Herzmenschen und Lieblingsfremde (weil ich nicht wirklich weiß, wer hier so alles über meinen Blog stöbert). In den vergangenen Tagen war es etwas ruhig hier auf dem Blog. Einerseits lag es daran, dass nicht wirklich viel passiert ist und ich euch nicht langweilen wollte mit so Beiträgen wie: „Das bin ich wie ich die Spülmaschine ausräume!“, „Das bin ich wie ich fernsehe“, „Hier koche ich mir selbst was zu essen“ und so weiter. Dennoch arbeite ich die vergangenen Tage dieser Woche auf und gebe euch hier gesammelt einen Überblick.
Montag, 02.03.2020: Heimreise nach Hamburg, besuch bei meiner schwester und vergessene geschenke.
Am Montag geht es für mich nach dem Frühstück wieder in Richtung Hamburg. Meine Ma hat sich dazu bereit erklärt mich zu fahren. Da ihr das Verkehrsaufkommen in Hamburg selbst aber zu wuselig ist, beschließen wir erstmal zu meiner Schwester in die Nähe von Buxtehude zu fahren. Dort essen wir leckere Kürbiscremesuppe, ich kündige großspurig an, dass mein Neffe nach dem Mittag sein blaues Wunder gegen mich in FIFA 20 erleben wird und schnacken über dies und das. Aus dem blauen Wunder für meinen Neffen ist aber eher mein eigenes Waterloo geworden. Eine souveräne 2:0 Führung in der ersten Halbzeit habe ich dann leichtfertig verspielt, so dass es nach der regulären Spielzeit und der Verlängerung 2:2 unentschieden stand. Elfmeterschießen…. Und DA habe ich verkackt. Da fällt mir spontan der Spruch auf einem Internet-Meme ein: „Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr genau wisst, jetzt habt ihr verkackt?!“. DAS war so ein Moment bei mir. Am Ende hab ich tatsächlich 2:3 nach Elfmeterschießen verloren – um es negativ zu benennen. Der Optimist in mir würde einen Buchtitel von Tom Limes zitieren: „Voll verkackt ist halb gewonnen“. Und hey, immerhin zweiter Platz. Wenn auch nur von zweien, aber es kommt halt drauf an, wie man es vermarktet. „Voll verkackt ist halb gewonnen“ ist übrigens auch ein sehr witziges Buch. Kann ich nur empfehlen. Vielleicht stelle ich das bei Gelegenheit mal in der Schmökerecke vor. Aber vorher sind mir ein paar andere Bücher zu relevanteren Themen wichtiger.
Nach dem Mittag ging es dann also mit meiner Schwester weiter in Richtung Hamburg. Danke Ma und Pia für die Teiltransfers. 🙂 Danach passierte nicht mehr wirkklich viel. Tasche abstellen, Post checken und später ins Bett. Moment, bei Post checken kommt mir doch noch ein Highlight in den Sinn. Ein kleines Päckchen von Familie Müller. Ich war mir zwar nicht 100% sicher, aber ich hatte einen Verdacht, von wem das sein könnte. Schnell hab ich es ausgepackt. Drin waren: Ein handgeschriebener Brief, der mich rührte aber auch zu gleichen Teilen mit Freude und Stolz erfüllte. Ein ehemaliger Bundeswehrkamerad und eine ehemalige Bundeswehrkameradin, die während meiner aktiven Zeit schon anbandelten und heute Eheleute und Eltern sind, haben mir eine Sammlung selbstgemachter Mützen geschickt. Den Brief und Bilder der Mützen zeige ich euch unten. Zusammen mit den Mützen, die meine Mam mir gestrickt hat, hab ich jetzt ein ziemlich gutes Arsenal an Mützen.
Abends rief mich meine Ma dann noch an und sagte, ich hätte die gute Eichsfelder Wurst im Kofferraum vergessen. Sie bringt sie mir Freitag mit.
Danach nehme ich noch ein Bad. Komisch so ganz allein. Ohne das ein kleiner 7- oder 9-jähriger Quälgeist laufend ins Bad kommt und sagt: „Papa, mach hinne, ich will auch rein!“. Nach dem Bad verkrieche ich mich im Kinderbett im Kinderzimmer. Das „große“ Bett im Schlafzimmer ist mir momentan zu groß für mich alleine. Ich fühle mich wie das tapfere Schneiderlein im Bett des Riesen. Das war es dann aber auch wirklich für den Montag.
DIENStag, 03.03.2020: Tote hose und Netflix
Der Dienstag ist an Langeweile (für euch Leser) dann bislang nicht zu überbieten. Ausser dass ich viel „mache“ ist nicht viel passiert. Fenster auf- und später wieder zumachen, Fernseher anmachen, Playstation anmachen, Netflix anmachen, Essen machen, ab und zu „klein“ und „groß“ machen (jetzt wisst ihr es ganz genau!), mich abends ins Bett und abschließend die Augen zumachen und vorher natürlich alles wieder ausmachen, was ich oben angemacht habe. Das war mein Dienstag.
MITTWOCH, 04.03.2020: PEt/CT Nach zyklus 2, Hamsterkäufe und hausarbeit
Überall hört und liest man jetzt, dass sich die Leute bevorraten und mit Hamsterkäufen eindecken. Ich glaub, von dieser Panik habe ich mich anstecken lassen, befürchte aber, da etwas nicht ganz richtig gemacht zu haben?! Aber Spaß beiseite… was soll das? Da geht eine mittelmäßig schwere Krankheit um, die im Gefahrenpotential deutlich unter jeder Influenzawelle liegt und trotzdem decken sich gesunde Menschen mit (nutzlosen) Mundschutzmasken, kaufen Desinfektionsmittel als wollten sie drin baden und stapeln Konserven im Keller, als gäbe es kein morgen mehr. Was soll in diesem Land nur geschehen, wenn etwas wirklich schlimmes passiert. Ich bin ja echt froh, dass es hier im PEt/CT-Zentrum noch Desinfektionsmittel gibt. Mittlerweile ist die Angst der Bevölkerung ja so groß, dass sie schon Desi aus Kliniken mitgehen lassen. Ich bin ehrlich gesagt ausnahmsweise mal sprachlos – und das kommt nicht so oft vor…
Meine Hamsterkäufe*: Smoothies, Fahrwerke und Bremsscheiben.
🌬 EINMAL IN DEN WINDKANAL 💨 Heute war es dann auch noch soweit. Das Zwischen-CT nach den ersten zwei Chemotherapie-Zyklen stand an, bevor es morgen just in time in Zyklus III übergeht. Um 9:15 sollte ich im PET/CT Zentrum in Altona erscheinen. Nüchtern aber mit mind. 1 L stillem Wasser in meinem Bäuchlein. Kein Problem. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Facharzt ging es anschließend erst zum Blut abnehmen, dann gab es die Wolframummantelte Spritze mit dem radioaktiven Powerjuice, den sonst nur Steve Rogers und Bruce Banner bekommen. Eine Stunde später liege ich in der Röhre. Der Arzt sagt, sie werden an die 1.500 Bilder von mir schießen. Zum Glück hab ich ein frisches T-Shirt, saubere Unterwäsche und Socken an. 😁 Nach knapp einer Stunde ist der Spuk vorbei. Der Radiologe kommt zu mir und sagt, die ersten Bilder habe er gesichtet. Es sähe soweit gut aus. Es sei auf den ersten Bildern kein Lymphommaterial mehr sichtbar. Das alles sei aber noch unter Vorbehalt, er müsse erst in Ruhe die anderen Bilder akribisch auswerten. Aber als Ersteinschätzung macht das Mut! So kann ich morgen mit frischem Elan und altbekannten Bumms in den Zyklus III starten. War das doch in den ersten zwei Zyklen meine Befürchtung. Da bei mir die häufigsten Nebenwirkungen ja zum Glück größtenteils ausblieben, habe ich mich schon das ein oder andere mal gefragt, ob die Chemo denn bei mir überhaupt anschlagen und wirken würde. Schließlich hat man bei Krebs keine Fortschrittsindikatoren wie beispielsweise bei einer Grippe, wo dann irgendwann der Husten abklingt und das Fieber sinkt. Krebs ist da einfach anders – nicht greifbar.
Nach der Untersuchung fahre ich wieder nach Hause, koche mir was zu essen und verbringen den Rest des Tages bis 19:30 Uhr mit Hausarbeit (Spülmaschine einräumen, Wäsche waschen und aufhängen, Sachen für die Klinik packen). Um 19:30 kommt mein Nachbar Mathias hoch und wir zocken noch eine Runde FIFA20. Ich muss zugeben, wir sind beide sehr konsequent, was ein deutliches Defizit bei den Heimspielen angeht. Spielen wir bei mir verliere meist ich. Spielen wir bei Mathias verliert meist er. Wollten wir ein homogenes ausgeglichenes Spiel haben, müssten wir uns wahrscheinlich im Flur oder Keller treffen.
Das war mein Mittwoch.
* keine Angst: ich habe mich nicht mit Fahrwerken, Bremsscheiben und Smoothies eingedeckt. Das sind alles Bilder aus meinem vergangenen Berufsleben. Meine erste Arbeitsstation in Hamburg war bei inmocent Drinks. Später war ich dann für Pedders Suspension im Einsatz und hab da ein paar Bilder im Lager gemacht.
Der März ist da. Schon irgendwie verrückt, wie unterschiedlich die Zeit zu vergehen scheint. Der Januar hatte gefühlt 85 Tage und der Februar trotz Schalttag dafür nur 5 und jetzt haben wir schon den 01.03. Wir haben den Sonntag nochmal für gemütliches Beisammensein genutzt. Nach einem gemütlichen Frühstück und Mittagessen war noch einmal Kuschelzeit angesagt. Selbst meine Süße, die sonst eine vehemente Abneigung gegen Mittagsruhe zu haben scheint, hat sich dazu durchgerungen und wir haben eine ganze Weile einfach nur im Bett gelegen und gekuschelt.
Nachmittags ging es dann noch zu Alex‘ zweitem Cousin, wo wir uns dann alle nochmal bei Eis, Waffeln, Windbeuteln und allerlei Kaffee- und Kakaospezialitäten (hat ja auch Vorteile einen Gastronomen in der Familie zu haben) geklönt haben und die Kids zusammengebracht haben.
Danach ging es über die traditionsreiche iBerg-Rennstrecke zurück zu Alex‘ Eltern, wo dann auch schon meine Eltern warteten, die mich mitnehmen. Mit einem passenden Auto, also keinem wenig dynamischen VW Bus, der einen Schwerpunkt wie ein Elefant auf Stelzen besitzt, macht die Strecke bestimmt auch ordentlich Spaß. 😁
Die Mädels fahren ja morgen in den Urlaub, wo ich leider nicht dran teilnehmen kann, weil ich ja dann Mittwoch erst ins CT gehe und dann Donnerstag in den dritten Zyklus starte. Da war es für mich etwas hart und der Trennungsschmerz sehr groß. Aber wir wissen ja alle, wofür wir es tun und hoffen, dass die CT-Ergebnisse gut sind und wir vielleicht mit 4 Zyklen Chemo auskommen.
Schaltjahr! Das bedeutet, dass wir den heutigen 29.02. als gratis Upgrade für das Jahr 2020 obendrauf bekommen. Im „normalen“ Leben ist der 29. Februar ja eher verpönt. Ist es doch nur ein weiterer lästiger Arbeitstag oder der Monat dauert halt einen Tag länger bis frisches Geld auf dem Konto landet. Für mich ist der 29.02. mittlerweile mit einer anderen Bedeutung belegt, denn der Schalttag ist weltweit der „Tag der seltenen Erkrankungen“. Mit meinem neuen Kumpel „Hodgkin“ habe ich genau so eine seltene Erkrankung angestaubt. An meiner Krebsart, dem Hodgkin-Lymphom, erkranken in Deutschland pro Jahr etwas mehr als 1.900 Menschen. Ein verschwindend geringer Anteil (rd. 0,4 %), wenn man sich die Gesamtzahl aller Krebserkrankungen in good ol’ Germany pro Jahr ansieht: rd. 492.000 Fälle. Für mich ist es also von gewisser Wichtigkeit, diesen Tag in den Fokus zu rücken. Hast du vorher bereits vom ‚Tag der seltenen Erkrankungen‘ gehört? Ich wünsche mir und allen anderen, die sich derzeit mit einer seltenen Erkrankung auseinandersetzen müssen, viel Kraft und alles Gute! Keep Fighting!
29.02.2020: Tag der seltenen Erkrankungen.
Ansonsten sind wir dieses Wochenende aus Hamburg „geflüchtet“ und verbringen das Wochenende bei Alex‘ Eltern. Um uns etwas abzulenken und den Kids etwas „Auslauf“ zu geben, sind wir ins Bowlingcenter gefahren. Dort haben wir uns mit Alex‘ Cousin, seiner Frau und deren beider Kinder getroffen. Die Kids haben dann eine eigene Bahn bekommen und die Erwachsenen auch. So konnten wir in Ruhe spielen. Rein körperlich kam ich auch gut zurecht. Nur punktemäßig hat es für mich leider nur zu Platz 4 von 4 gereicht. Wäre ich Pessimist, würde ich sagen: „Letzter Platz“. Da ich aber keiner bin, sage ich: „Hat immerhin zu einer Top4-Platzierung gereicht“. Und gegen meine @alex4nti als ehemalige Amateursportlerin muss man sich eh beim 🎳 warm anziehen. Danach habe ich mit Stefan noch ein paar Runden Billard gespielt. Normalerweise ein Spiel, bei dem ich recht gut bin. Aber meine Nebenwirkungen sind leider Zittern und Schweißausbrüche. Mit Zittern ist beim Billard ja kein Blumentopf zu gewinnen. Aber was zählt ist das Erlebnis, nicht das Ergebnis. Nice little fact: in dem Bowlingcenter hatten @alex4nti und ich vor knapp 14 Jahren unser erstes „richtiges Date“ ❤️. An meine Krebskämpfer-Mitleser: Was tut ihr, um euch zwischen den Chemos abzulenken?
Den Abend ließen wir dann bei lecker gegrillter frischer Brstwurst und dem Blockbuster „Die Eiskönigin“ ausklingen.
Meine Süße aka „Strike Machine“.
Abschließend gibt es aber auch noch eine tolle Neuigkeit. Seit gestern bin ich offizielles Mitglied der Organisation „Cancer Unites“, die Krebsblogger untereinander vernetzen. Getreu dem Motto von Cancer unites:
„Finde Gleichgesinnte und Gleichbetroffene. Instagrammer, Blogger und hilfreiche Organisationen mit denen Du Dich vernetzen kannst. Passend zu Deinem Krebs. Denn Du bist nicht allein!“
Das Fieber bei unserer Lütten ist heute morgen weg. Auch Alex hat nur noch Husten. Dieser Kreuzzug gegen mein Immunsystem ist glücklicherweise spurlos an mir vorbeigegangen.
Nach dem Frühstück ordne ich meine ganzen Unterlagen. Da kommt echt einiges zusammen:
Bilder, CDs, Befunde von den Radiologen
Unzählige Aufklärungsbögen zu den OPs (Portanlage, Lymphknotenentnahme) und dazugehörige Berichte
Dokumentation und Medikationsplan für die Chemo nach BEACOPPesk Schema
Überweisungen, Einweisungen und Rezepte
Arztbriefe
Arbeitsunfähigkeits- und Liegebescheinigungen
Portpass
Belege, Rechnungen und Quittungen
Sonstiges
Da ist so ein A4-Ordner schnell voll. Danach mache ich mich mal wieder auf den Weg in die Klinik. Blutwerte kontrollieren ist angesagt. Ich schwinge mich also wieder mal aufs Rad und bestreite die 5 km aus meinen eigenen schwachen verbleibenden Körperkräften. Gefühlt erreiche ich das Tempo einer Schnecke auf Valium. Mein Konditionslevel liegt bei -1.000. Mein Transpirationslevel dagegen bei +1.000. Selbst wenn ich zuhause in Ruhe auf der Couch sitze, bilden sich schon deutliche und viele Schweißperlen auf der Stirn. Eine der, zum Glück, recht wenigen Nebenwirkungen, die ich habe. Eine andere ist das Zittern – und permanent weiche Knie.
Die Zittrigkeit kommt immer mal wieder schubweise vorbei. Alles in allem lässt es sich aber aushalten, solange ich nicht versuche Garn durch ein Nadelöhr zu friemeln.
In der Klinik angekommen, wird erstmal wieder Blut abgezapft. Heute steht eine etwas größere Analyse an, dass die PEt/CT-Praxis am Mittwoch auch die aktuellen TSH- und Kreatinwerte braucht. Meine Blutwerte sind gut. Bisschen hoher Anteil an Neutrophilen (Abwehrzellen, die eindringende Mikroorganismen abtöten), mit knapp 76 %, aber das ist dem Cortisonkonsum geschuldet. Alles in allem Werte, die für meine aktuelle Situation normal sind.
Als ich zurück zu meinem Rad komme, finde ich das Autogramm eines Flugtieres an meinem Rad. Ich nehme an, es war ein Flugsaurier, der mir da auf den Sattel und ans Sattelrohr gemacht hat. Zum Glück hat sich das Geländer, an das ich mein Rad geschlossen habe, im Moment der Schussabgabe noch in die Flugbahn geworfen und somit einen Großteil des Fäkalprojektils abgefangen. Welch selbstlose Heldentat!
Trotzdem musste ich mich fragen: „Wie kriege ich den Mist, bzw. Vogeldreck denn jetzt da weg. Taschentücher habe ich eigentlich nie dabei. Aber zum Glück Mundschutzmasken. Mit einer habe ich dann auch ganz gut Erfolg gehabt.
Wieder daheim gab es ein schnelles Mittagessen, danach wurde ich eins mit der Couch. Und wenn ich sage, ich wurde eins mit der Couch, dann meine ich das auch. Durch das viele Cortison hat mein Körper anscheinend gut Wasser eingelagert, so dass ich das Tarnmuster des Sofas annahm.
Am Abend wollen wir dann in Richtung alter Heimat aufbrechen. Einfach mal wieder kurz raus.
Ihr habt es womöglich gemerkt: gestern gab es keinen ausführlichen (B)LOGBUCHEINTRAG. Das liegt einfach daran, dass ich momentan zwischen Zyklus II und Zyklus III, der nächsten Donnerstag beginnt, so viel Zeit wie möglich mit meinen Mädels verbringen möchte. Leider gestaltet sich das momentan aber auch schwierig, da meine große Tochter seit Dienstag ordentlich fiebert. Ich sehe es für mich als Herausforderung für mein frisches Blut und Immunsystem, habe aber die mentale Einstellung, dass ich diesen Infekt jetzt nicht auch noch einsammeln werde!
Dieses Mal hat unsere große kleine Motte mal das Fieber abgestaubt. Bei mir zum Glück keine Symptome.
Da das Fieber trotz Nurofen nur wenig zurückgeht, sitzen wir heute morgen um Punkt 8:00 Uhr beim Kinderarzt. Gestern haben wir gemeinsam gekuschelt und ferngesehen. Mehr gibt es zum 26.02.2020 eigentlich nicht zu berichten.
Die nächsten Tage sind dann mit kleineren Terminen gespickt und am Wochenende wollen wir dann zu den Eltern meiner Freundin, da sie ja mit meinen Mädels dann nächste Woche ja in den Urlaub aufbrechen. Leider ohne mich. Für mich ist ja nächste Woche stattdessen das PEt/CT am Mittwoch und der 3. Zyklus ab Donnerstag vorgesehen.
Morgen geht’s es am späten Vormittag für mich noch mal in die Klinik zum Blut abgeben und Blutwerte ermitteln.
Zum Abendessen mache ich selbstgemachte Biggie Burger. So ganz kommt man ja nicht los davon. Aber ich denke, dass man die Qualität doch schon sehr beeinflusst, wenn man es selbst macht, als wenn man zum schottischen Restaurant mit dem goldenen M fährt.
Frisch gemacht, mit frischen Zutaten. Unsere hausgemachten Biggies.
Ansonsten wird heute wohl nicht mehr viel passieren. Wir werden wohl kuschelig beisammen sein und zusehen, dass unsere kranken Mädels bald wieder fit sind.
Heute gab es mal wieder was sehr leckeres und zugleich aber auch sehr gutes für den Körper.
Früher war Frühstück für mich eher zweitrangig. Ich habe zwar phasenweise immer mal wieder versucht mich ausgewogen zu ernähren, oftmals kommt dann aber doch der innere Schweinehund zu groß und man greift halt doch eher zu was Fertigem. Hier eine Milchschnitte, da ein Riegel.
Seit ich aber nun die Diagnose Lymphknotenkrebs aka Morbus Hodgkin aka Hodgkin-Lymphom bekommen habe, habe ich mich auch immer wieder gefragt, woher es wohl kommen mag. Viele Theorien schossen mir durchs Hirn. Glyphosat? Nee, viele Felder gibt es hier nicht. Hohe Verkehrsdichte? Abgase? Andere Umweltgifte? Kann sein. Hamburg ist ja jetzt kein Dorf. Dennoch mit eine der grünsten Städte Deutschlands.
Am Ende weiß man es nie genau. Die beste Stellschraube, die man selbst beeinflussen kann, ist dann einfach die Ernährung und der Lifestyle. Ich bin Bürohengst, sitze oftmals 10 bis 12 Stunden. Das zusammen mit suboptimaler Ernährung erscheint mir am wahrscheinlichsten. Denn sind wir mal ehrlich: was kaufen wir ein? Das meiste ist in Kunststoff oder Aluminiumdosen verpackt. Und wenn ich mich an den Physikunterricht zurückerinnere, meine ich mich zu entsinnen, dass sich Säuren (in Getränken) und Metalle auf Dauer eben nicht so gut vertragen.
Dass es beim Frühstück aber dennoch schnell, gesund und lecker sein kann, zeige ich euch in diesem Beitrag.
Ich habe heute meinen ersten Tag daheim nach meinem zweiten Chemozyklus. Das Frühstück in der Klinik besteht meist aus Brötchen, Butter, Aufschnitt, Marmelade, Joghurt und Tee. Nach 12 bis 14 Tagen Aufenthalt kommt einem das dann auch irgendwann zu den Ohren raus.
Somit verlangt mein Körper dann zuhause nach einer Alternative. Die soll er bekommen:
Für mein sogenanntes „Anti-Krebs-Frühstück“ oder auch „Healthy-Champions-Frühstück“ mische ich Naturjoghurt*, Cashewkerne, getrocknete Cranberries mit Haselnusskernen, Mandeln, Walnusskernen, Sonnenblumen-, Kürbis- und Pinienkernen. Obenauf kommen frische Früchte. Beeren werden super Eigenschaften zur Vorbeugung vieler Krebsarten zugesprochen. Bei mir stehen Heidelbeeren, Himbeeren und Erdbeeren hoch im Kurs. Das i-Tüpfelchen bietet eine Mischung aus Honig, den ich in einer Espressotasse mit etwas heißem Wasser auflöse. Von der Wassermenge gerade so viel, dass sich eine mittlere zähflüssige Lösung bildet. Dieses träufele ich dann über den Frühstücksmix und genieße ihn ausgiebig. Das ganze kann auch mit Haferflocken oder Müslis kombiniert werden.
Die Eigenschaften der Zutaten im Detail:
Joghurt:
Der Joghurt bildet die Grundlage dieses Powerfrühstücks. Durch den relativ hohen Eiweissgehalt ist er gut für den Erhalt der Muskulatur, was besonders in Zeiten der körperlichen Inaktivität (bei mir speziell während der Krankenhausaufenthalte) wichtig ist. Ich merke es bei mir immer am eigenen Leib. Zu Beginn jedes Chemozyklusses müssen die Schwestern die „große“ Blutdruckmanschette nehmen, da ich doch recht kräftige Arme habe. Im Laufe der Therapie schrumpfen diese aber dann doch ziemlich und gegen Ende des Zyklusses reicht dann meist die „normale“ Manschette.
Aber auch über die Lieferung von Protein unterstützt der Joghurt bei folgenden Körperfunktionen:
Bildung von Muskeln und Knochen
Transport von Fett und Sauerstoff
Aufnahme von Eisen (besonders wichtig, da Eisen essentiell für die Blutbildung ist. Während jedes Chemozyklusses sterben extrem viele Blutkörperchen und Blutplättchen, die neu gebildet werden müssen)
Abwehr von Krankheitserregern
Reparatur defekter Zellen (gerade bei Chemotherapien soll das ziemlich häufig vorkommen. ;))
Gesundheit von Nägeln und Haaren
Herstellung von Bindegewebe und Knorpeln
Nüsse, Samen und Kerne:
Nach dem Joghurt kommen die Kerne, Nüsse und Samen zum Einsatz. Ich wähle Cashewkerne, Haselnüsse, Walnüsse, Sonnenblumen-, Kürbis- und Pinienkerne. Oftmals gibt es diese Kombination auch schon fertig gemischt in jedem Supermarkt oder beim Discounter. Steht meist nicht weit weg von den Obst- und Gemüseständen.
All diese Samen, Nüsse und Kerne sind hauptsächlich wegen ihrer guten Fette in meinem Healthy-Champions-Frühstück. Das Thema Fettsäuren ist ein sehr kontroverses Thema und man kann darüber ganze eigene Beiträge verfassen. Mache ich später bestimmt auch noch mal. Für den Moment reicht es aber, wenn du weißt, dass die Nüsse sehr viele Omega3- und Omega9-Fettsäuren. Das sind die sogenannten „guten Fettsäuren“. Nicht verwechseln mit Omega6-Fettsäuren in Pflanzenölen. Omega6-Säuren sind eher krebs- und entzündungsfördernd. Omega3-Säuren hemmen Entzündungen und viele Krebsarten. Omega3-Säuren sorgen für die Sicherstellung wichtiger Körperfunktionen, hauptsächlich bei den Gehirnfunktionen.
Omega3- und Omega9-Fettsäuren unterstützen den Körper bei diesen Funktionen:
Schutz vor Herz- und Gefäßkrankheiten und Krebs
Verbesserung der Übertragung der neuronalen Erreger im Gehirn
Gehirn- und Zellentwicklung während einer Schwangerschaft
Anregung der Herztätigkeit und somit Verringerung des Risikos für Herzrhythmusstörungen und/oder Embolien
Omega3-Säuren sind entzündungshemmend
Die Beeren:
Die Beeren im Healthy-Champions-Frühstück sorgen für die nötige Süße. Ich hatte schon immer einen süßen Zahn. Aber nicht nur geschmacklich haben Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren und Cranbeery einiges zu bieten, in ihnen stecken auch noch jede Menge andere Powerstoffe:
Die Himbeere und Erdbeere verfügen über einen hohen Gehalt von Ellagsäure, einem hochwirksamen krebshemmenden Inhaltsstoff. Die Heidelbeere unterstützt den Kreislauf des Körpers und sorgt durch ihre Inhaltsstoffe Anthocyanide dafür, dass das Wachstum von Tumoren verlangsamt werden kann.
Die Cranberry, die mit der Heidel- und der Blaubeere verwandt ist, auch wenn man es ihr auf den ersten Blick nicht ansieht, hat mannigfaltige positive Eigenschaften:
Unterstützung der Nieren- und Harnwegsfunktionen
krebshemmende Wirkung durch Ellagsäure, Anthocyanide und Proanthocyanide
Unterstützung beim Schutz der Körperzellen.
Honig:
Ganz zuoberst meines Healthy-Champions-Frühstück träufele ich eine Lösung aus Wasser und Honig*. Dazu nehme ich zwei Teelöffel oder einen Esslöffel Honig, fülle ihn in eine Espressotasse und übergieße das ganze mit heißem Wasser. Dann schaffe ich durch Verrühren eine zähflüssige Lösung. Bei der Konsistenz kannst du frei experimentieren, ob du es gern zäher oder flüssiger magst. Den Honig nehme ich aus folgenden Aspekte mit ins Frühstück auf:
Durch die in Honig enthaltenen Inhibinen sorgen für eine entzündungshemmende Wirkung.
Antioxidantien können das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle reduzieren und sich positiv auf die Sehkraft auswirken.
Honig kann zur Senkung des Cholesterinspiegels beitragen
Honig stärkt das Immunsystem und hilft bei Husten.
Kombinierst du das Healthy-Champions-Frühstück dann noch mit ballaststoffreichen Haferflocken, hast du nicht nur ein gesundes sondern vor allem auch eine lange sättigende Mahlzeit und kommst problemlos bis zum Mittag – ohne das Risiko zum Schokoriegel greifen zu müssen!
*Bei der Auswahl des geeigneten Honigs empfehle ich Deutschen Imkerhonig oder einen Honig von einem lokalen Imker. Industriehonige sind zwar meistens 1-2 Euro pro Glas günstiger, werden aber oft mit Honigen aus anderen Ländern gestreckt. Nicht selten stecken dann auch Honige aus fragwürdigen Herkunftsländern wie China in den Fertigerzeugnissen.
Sternekoch Nelson Müller hat für das ZDF einmal eine sehr interessante Reportage gemacht. Ich werde den Link hierunter mal posten. Die 8 Minuten sollte man sich einmal nehmen. Ich denke, die 1-2 Euro für einen guten Honig kann man dann ruhigen Gewissens investieren.
Kurz nach dem Frühstück läuft mir Hr. Dr. auf dem Flur in die Arme. Ich frage ihn: „Na, wie sehen die Blutwerte aus?“ Er sagt, er habe die Ergebnisse noch nicht gesehen. Auf meine Frage, ob ich denn morgen oder übermorgen entlassen würde, wenn die Werte gut aussähen, antwortet er: „Wenn die Werte gut sind, entlasse ich Sie spätestens morgen!“. Wenig später steht er im Zimmer und sagt: „Sie können heute gehen!“. Mit einer Geschwindigkeit auf die selbst QuickSilver von Marvel und the Flash aus dem DC Universe neidisch wären, packe ich meine Sachen. Am Tresen nehme ich meine Pillenration für den morgigen Tag entgegen. Der wäre ja eigentlich noch regulärer Therapietag gewesen. Am Empfangstresen tausche ich ein Stück Marzipan, Schokoladencrossies und andere Süßigkeiten gegen meinen Arztbrief und die Liegebescheinigung.
Bei der Beschriftung ist mir leider ein kleiner Fehler unterlaufen. Sind natürlich 2/4 bzw. 2/6 Chemos done. Nicht 2/7.
Dann nix wie ab nach Hause. 20 Minuten später klingele ich zuhause und alle sind überrascht und überglücklich. Meine Große ist leider krank und musste heute mit Fieber zuhause bleiben. Sauber! Kann ich direkt austesten, was meine neu gebildeten Leukozyten und Neutrophilen so abkönnen. Wir wollen es uns ja auch nicht zu einfach machen. Als erstes räume ich alle meine Sachen weg. Das ist wichtig für mich, weil es mir symbolisiert, dass Zyklus II nun offiziell in den Büchern ist und ich jetzt erstmal wieder „frei“ habe.
Später nutze ich die Gelegenheit, um den Einkauf zu erledigen. Die Mädels wünschen sich Fischstäbchen und Kartoffelpüree zum Mittag. Ich hab Verlangen nach den fantastischen Penne Bolognese meiner Süßen. Zur Feier des Tages kocht sie beides. Beim Einkaufen nehme ich direkt auch noch frischen Joghurt, Obst und Gemüse mit. Für das Abendessen habe ich einen Japps auf Bratwurst, Kartoffel- und Gurkensalat.
Nach dem Essen ist kuscheln angesagt. Die Große mit Mütze, wegen des Infekts friert sie die ganze Zeit. Wird Zeit, dass der immerwarme Daddy sie wieder warmkuschelt. Ging ja lange genug nicht.
Kuschelzeit. Endlich wieder. Das Shirt hab ich von Steven Rogers abgestaubt. Der Kopf ist eher die bleiche Version vom Red Skull. 😂
Nach und nach schlummern alle kurz ein. Nur ich kämpfe mich tapfer durch die Folge Baywatch aus Nitro.
Am Nachmittag spielen Lara und ich „Lotti Karotti“.
Wir haben uns am Ende auf ein Unentschieden geeinigt.
Während Alex sich beim Sport austobt, kümmere ich mich um das Abendessen.
Danach kommt unser Nachbar Mathias hoch und wir geben uns einer intensiven Runde FIFA 20 hin. Ich habe mir eine ziemliche Heimschwäche zugelegt. Am Ende spricht die Statistik im klassischen Anstoß bei 1:0 gegen mich, im Volta-Modus sogar 6:3 gegen den 1. FC van Hecklundt.
Schlafen werde ich heute im Kinderzimmer von Lara. Sie hat es sich gewünscht. Wir hören „Wendy“ zum Einschlafen. 😁👍