Es ist soweit. Der letzte Chemotherapiezyklus startet. Ganz gemütlich machen wir uns fertig, ich vertilge zum Frühstück die Reste von allem, was die Mädels nicht aufessen würden (primär der Fleischsalat) und dann geht es los. In unserem Bus, den wir gestern dann auch noch auf den Namen „Frank Busmann“ getauft haben, warten schon meine Getränkevorräte. Ich habe ein paar Säfte gehamstert, weil ich ja nicht weiß, wann die Besuchssperre in der Klinik wieder aufgehoben wird. Da ist mir ein kleiner Vorrat schon ganz lieb. Generell hamstern wir aber nicht – weder Klopapier, noch Nudeln oder Sterilium. Ein paar Masken habe ich zuhause, zugegeben. Aber ich hab ja auch Bedarf. 😁 Ich hoffe für die Bunkerer, dass sie das gehamsterte Zeug nicht zusammen verwenden. Eine Penne an Hakle-Sterilium-Pesto finde ich nur bedingt lecker. Aber knallt wahrscheinlich gut.
„Frank Busmann“ bringt uns sicher und wohlbehalten zur Klinik und 3/4 der Insassen auch wieder zurück nach Hause.
In der Klinik angekommen hole ich erstmal im MVZ Onkologie meine neue Krankmeldung. Danach zur Anmeldung, Wartemarke ziehen, in der Zwischenzeit WLAN-Voucher am Infopoint abholen, danach anmelden, All-Inclusive-Bändchen anlegen lassen und Checkin-Unterlagen abgreifen.
All-Inclusive-Bändchen. Nur die Poollandschaft und den Fitnessraum hab ich noch nicht entdeckt.
Danach geht es hoch auf die 3B – Onkologie. Mittlerweile kenne ich wohl das ganze Team und das ganze Team mich. Alle freuen sich immer mich zu sehen. Keine Ahnung, ob es an meinen schlechten Witzen, den dummen Sprüchen oder einfach an der Tüte mit Süßigkeiten liegt, die das Stationspersonal zu Beginn jeden Zyklusses als Dank für deinen wertvollen Dienst und mir gegenüber jederzeit freundlichen Umgang von mir bekommt.
Als erstes der Aufnahme-Check. Dieses Mal etwas im Umfang erweitert. Ich muss ein paar Fragen beantworten:
Ob ich Kurzatmig wäre? Bin ich. Seit dem ersten Zyklus ist meine Lunge zeitweise etwas blockiert.
Ob ich Fieber habe? Nein.
Durchfall? Auch nicht. Zumindest nicht mehr als sonst auch.
Husten? Nur wenn ich mal wieder zu blöd bin und mich an meiner eigenen Sabber verschlucke.
Schmerzen? Nur wenn ich zuhause auf rumliegendes Playmobil trete.
Halsschmerzen? Seit ein paar Tagen etwas Halskratzen… Oh Oh!? 😧
Kopfweh? Nur nach einem Fahrradsturz oder wenn ich zu tief ins Glas geschaut habe… mach ich ja aber während der Chemo nicht – also Fahrrad fahren. Nein, Quatsch! Umgekehrt.
Schupfen? Meine Nase läuft ab und zu, speziell wenn ich vom Kalten ins Warme komme. Nochmal Oh Oh!? 😨
Alles in allem reichen die zwei „Oh Oh“ aber nicht für einen Coronaverdacht. Wie auch, ich trinke ja keinen Alkohol unter der Chemo 🍺. Da verpufft er, der Traum vom Einzelzimmer. 😁 Ja ich weiß, ist makaber. Aber hey: ICH gehöre zur Risikogruppe. ICH darf Witze darüber machen. 😜 Zum Schluss: Port anstechen, Blut abnehmen, Port spülen.
Danach geht es für mich in meine Suite. Suite 19 dieses Mal. Das erste oder letzte Zimmer im Bereich der 3B. Je nachdem in welcher Richtung man anfängt. Bin dann jetzt wohl am untersten Ende der Fahnenstange angekommen. Angefangen bei Suite 36 im November zur Diangnostik, dann Suite 30 für Zyklus I, Suite 24 im II. Zyklus, Suite 29 (auf eigenen Wunsch) in Zyklus III und jetzt Suite 19. Ich nennen Suite 19 liebevoll „die indische Suite“. Warum? Nee, nicht weil es hier nach Curry riecht oder Raj meinen Rechner repariert. Viel profaner. Suite 19 liegt am Ende des Ganges von Station 3B. Verstanden? Am Ende des Ganges!? Ganges?! Fluss in Indien 🇮🇳!! 😂😂😂
Bevor dann für mich chemotherapeutisch der Tag der höchsten Planerfüllung ansteht, statte ich dem Bäcker im EG noch einen Besuch ab. Ein bisschen Grundlage schaffen für die 4 Beutel Chemo die Da kommen. Es gibt das Standardgedeck. Schlemmertasche und Kakao. Das sind die kleinen Freuden, die meinen inneren Gönnjamin glücklich machen.
Danach geht es los. Schlag auf Schlag. Die erste Buddel Cyclophosphamid 2813 mg. Ulf, mein Chemobeutelhalter hat gut zu tragen.
„Ulf Braun“ mein Chemobeutelhalter. Woher der Name? Der Hersteller des Ständers ist „Ulf Medizintechnik“, die Durchlaufsteuerung kommt von der Firma „B Braun“.
Danach kommt eine Portion Dexorubicin 79 mg. Wie der Name erahnen lässt (rubi) ist das das rote Zeug. Und auch das ekeligste. Davon wird mir immer direkt etwas schwummerig und die Nasenschleimhaut wird ziemlich gereizt und trocken. Dadurch wird das Atmen ziemlich „scharf“.
Anschließend gibt es noch eine Ladung Etoposid 450 mg und danach wird mit einem Liter Jonosteril gespült. Vor den Beuteln, 4 Stunden danach und Abends gibt es dann nochmal eine Ladung Mesna, dass prophylaktisch gegen die Übelkeit helfen soll.
Zwischendurch ist viel trinken angesagt. Mein Körper scheint sich daran auch mittlerweile gewöhnt zu haben. In den ersten zwei Zyklen habe ich gefühlt mehr Zeit mit meinen Freunden Villeroy & Boch verbracht als in meinem eigentlichen Krankenzimmer. Das Trinken klappt in der Klinik auch sehr gut, weil überall kleine 0,5 l Flaschen Wasser stehen. Darauf sind immer teils informative, teils unterhaltsame Texte aufgedruckt. Gestern stand folgendes auf einer meiner Flaschen:
Es stimmt! Uneingeschränkt!
Am Abend kommen die Mädels noch kurz vorbei und geben mir vor der Tür eine kleine Stärkung mit auf den Weg. Eine Scheibe Brot zu Abend macht einen Bären wie mich halt nicht satt.
Danach bastel ich noch an einem Gastbeitrag für das Krebsnetzwerk „Cancer Unites“ zum Thema „Finanzen und Krebs“. Das ist dann schon mein zweiter Beitrag. Ich werde sie später gesondert in eine eigene Kategorie stellen.
Am Ende des Tages bin ich erstaunlich fit. Die Nebenwirkungen lassen sich ertragen und bis ich dann gegen Mitternacht schlafen gehe, zeigt sich keine Spur von Übelkeit, so dass ich auf die bedarfsweise Gabe einer zusätzlichen Antiübelpille verzichten kann. Nachts brauche ich sie aber dann doch, denn gegen 3:00 Uhr werde ich wach und muss gegen ein paar Schübe aufsteigenden Nahrungsbrei ankämpfen. Aber ich gewinne und alles bleibt drin. Aber gegen das Übelkeitsgefühl nehme ich proforma die Pille und schlafe noch knapp 3,5 Stunden.
21.03.2020: Die letzten Tage waren für uns alle mental herausfordernd. Die Kinder brauchen mehr Bewegung, was in der Wohnung nicht wirklich machbar ist. So richtig raus traue ich mich aber eigentlich auch nicht. Am Samstag beschließen wir mit dem Rad in unseren Garten zu fahren. Dort wird nach der Winterpause das Wasser am Hauptverteiler wieder angestellt. Der Garten erscheint mir sicher, sind dort in der Regel doch eher selten andere Personen außer meinen Lieben. Ein kurzer Plausch mit dem Gartennachbarn an der südlichen und dem an der östlichen Grenze ist eine willkommene Abwechslung. Wir verbringen insgesamt gut 2-3 Stunden im Garten. Auf dem Rückweg kaufen wir Kartoffelsalat und Bratwurst. Ich habe momentan sehr große Lust auf Kartoffelsalat. Ich habe keine Ahnung warum… Nach dem Essen hat jeder noch etwas Zeit für eigene Dinge zur Verfügung. Ich kümmere mich um das Thema Buchhaltung und mache meine Steuererklärung… spannend! Am späten Nachmittag müssen die Kinder noch mal ausgelüftet werden. Also vermumme ich mich wieder und wir fahren in einen nahegelegenen Wald. Zu meinem Erstaunen entdecke ich eine Dirtbike-Jumpline. Leider bin ich ohne Helm unterwegs, so dass ich beschließe die Line beim nächsten mal einmal zu testen.
Im Vorder- und Hintergrund erkennt man gut die aufgeschütetten Kicker (Absprungrampen). Links meine Süße und unser „Kampfswiffer“. 😁
Abends machen wir es uns auf der Couch gemütlich und schauen… ja was schauen wir denn? Das Gedächtnis weist erste Lücken auf… normalerweise vergesse ich Dinge, wenn ich zu viel erlebe. Kann man Dinge vergessen, wenn man zu wenig erlebt? Ah, jetzt: ist ja Samstag. Wir schauen „Die Eiskönigin II“. Den habe ich bei AMZN eigentlich auf DVD/Blu-ray vorbestellt. Soll am 26.03. erscheinen. Umso erstaunter war ich, als ich den Film dann schon im Streamingportal von AMZN fand. Also habe ich die DVD-Bestellung storniert und den Film direkt als Stream gekauft. War sogar noch günstiger als die Hardcopy.
22.03.2020:Der Sonntag startet gemütlich beim gemeinsamen Frühstück. Danach spielen die Kinder gemeinsam in ihren Zimmern. Wir Erwachsenen sind irgendwie platt und dösen auf der Couch vor uns hin.
Mittagessen bereitet heute der „Gyros Spezialist“ für uns zu. Wir sind der Meinung, dass wir den lokalen Gastronomiebetrieben unsere Unterstützung zukommen lassen sollten, sofern es möglich ist. Also holen wir eine Portion Souvlaki und zwei Portionen Gyros und genießen zuhause mediterranes Flair.
Gegen späten Mittag schwingen wir uns doch noch mal auf die Räder und düsen in den Wald. Die Luft dort tut mir gut. Heute sind jedoch ein paar Kids an der Jumpline am Start und bauen weiter aus. Ich vertage meine Tests. Menschenansammlungen sind strikt zu meiden! Empfiehlt mir auch meine Onkologin. Mit gebührendem Sicherheitsabstand schau ich mir das Treiben an der Strecke an und werde wehmütig. Blöder Virus – blödes reduziertes Immunsystem – blöde schlechte Kondition.
Dennoch düse ich mit den Kids ein paar Runden durch das Unterholz. Eine Runde wird ca. 800 m lang sein. Fühlt sich mit meinem Konditionslevel von derzeit -1000 aber an wie 8 km. Ich muss regelmäßig nach 1-2 Runden Pause machen und die Schnappatmung bekämpfen. Aber ich kann mich wohl durchaus noch glücklich schätzen. Andere Hodgkin-Patienten berichten mir, dass sie zwar auch täglich versuchen ein gewisses Bewegungspensum zu absolvieren, Rad fahren aber während der Chemozeit unmöglich sei. Ich bin ein bisschen stolz auf mich und meinen Körper. 💪 Ansonsten knipse ich noch ein paar Bilder.
Nachmittags verteilen wir uns auf die Kinderzimmer und erledigen noch ein paar Hausaufgaben. Maxima ist mittlerweile richtig gut im Lesen geworden und hat ihre Schwierigkeiten überwunden. Erneut fühlt sich mein Brustkorb mit dem wohligen Wärmegefühl des Stolzes.
Abends ziehen sich die Kids in unser Schlafzimmer zurück und schauen The Voice – Kids. Wir Tatort. Ich probiere eine Flasche des Allgäuer Radlers, das Alex aus dem Center Parcs Urlaub mitgebracht hat. Es ist lecker, landet aber nur auf einem der hinteren Plätze meiner Top3-Radler. Ich mache ein Erinnerungsfoto. Alex ist begeistert von dem Nachtaufnahmemodus meiner Handykamera. Sie macht ein Bild zum Vergleich. Doch! Krasser Unterschied.
Links: älteres Handymodell von Alex, maximale Helligkeitseinstellung, rechts: neueres Modell mit Nachtaufnahmemodus.
Danach geht’s ins Bett. Ich schlafe mit bei Lara im Zimmer, Maxima im Schlafzimmer. Ich tausche mich mit Lara noch etwas darüber aus, was ihr so im Kopf umhergeistert und dann schlafen wir ein. Morgen beginnt die zweite Woche Home Office und Home schooling für Alex und die Kids. Ich werde hier weiter exklusiv berichten! Also, in diesem Sinne:
Momentan „hängen“ wir alle zuhause rum und gehen uns gegenseitig auf den Sack… Spaß beiseite. Meine Süße arbeitet derzeit im Homeoffice und pendelt zwischen Esstisch (ihr Interimsbüro) und Loggia (ihr Interims-Konfi für die Videotelefonate mit den Kollegen). Die Kids pendeln zwischen Kinderzimmer (ihr Interimsklassenzimmer) und Wohnzimmer (ihre Interims-Turnhalle). Und ich? Ich Pendel zwischen Unsicherheit ob ich noch rausgehen kann (zur Apotheke u. Ä.) oder ob ich mich komplett verschanzen sollte. Normalerweise versuche ich ja so positiv wie möglich zu denken. Aber momentan ist das immer schwieriger.
Seit Montag schwebe ich auch in so einem Zustand der Unsicherheit, weil ich meine genauen Blutwerte nicht kenne. Zwar entlässt man mich ja nicht mit schlechten Werten aus der Klinik, aber etwas mehr Gewissheit wäre schon gut gewesen. Deshalb war es gestern auch wieder ein Zwiespalt, ob ich mit dem Hund rausgehen kann oder besser nicht.
Heute ging es dann aber endlich zur Blutwertkontrolle. Normalerweise bin ich mit dem Rad zur Klinik gefahren. Auch das war mir heute zu unsicher, so dass ich mit dem Bus gefahren bin. Mit dem VW-Bus. Alleine. An der Klinik angekommen, erwartete mich ein zu gleichen Teilen ungewohntes wie auch verstörendes Bild:
Securitymänner stoppten jeden, der die Klinik betreten möchte und fragten, wo man hin möchte, ob man einen Termin hat und wenn ja, ob man das nachweisen könne.
„Wie soll ich denn nachweisen, dass ich einen Termin habe?! Diesen kleinen Terminbestätigungszettel hab ich zuhause liegen. Mir war ja nicht bewusst, dass hier Sperrzone ist!? Ich hab einen Termin zur Blutabnahme und bei meiner Onkologin im MVZ. Das einzige, wodurch ich das einigermaßen nachweisen kann, ist mein Äußeres und die Einstichstellen an meinem Arm!“. „Nee nee, schon gut. Ich glaub es dir! Alles gute, geh durch!“
Im MVZ Onko auch alles neu. Standen sonst 20-30 Stühle auf den langen Fluren, sind es jetzt nur noch um die 10. Des Sicherheitsabstandes wegen. Nach meiner Blutwertbestimmung hatte ich eigentlich einen Termin bei meiner Onkologin zur Besprechung, wie mit der Reha verfahren werden kann und soll. Das haben wir dann gecancelt, weil derzeit eh alle Rehas abgesagt werden. Stattdessen habe ich wissen wollen, wie lange der Port denn wohl dranbleiben wird. Eigentlich auch nur aus Interesse. Er stört oder beeinträchtigt mich ja nicht. Aber auch hier hörte ich erstaunliches. OP-Termine sind derzeit knapp. Ports werden vorerst nicht entfernt, weil irrelevant. Selbst wichtige OPs wie Tumorentfernungen bei Lungenkrebspatienten werden nun schon herabpriorisiert und nach hinten geschoben… Was für eine Zeit ist das nur gerade… es bleibt nichts als abzuwarten.
Auf dem Weg nach draußen habe ich dann folgendes Video aufgenommen. Gespenstisch, denn man weiß, wieviel Publikumsverkehr sonst auf den Fluren von Hamburgs drittgrößter Klinik umherwandelt.
Vor der Tür der Klinik dann das nächste unbekannte Bild. Ein Rettungswagen. An sich nichts außergewöhnliches vor einem Krankenhaus. Aber in diesem Rettungswagen saßen keine Sanitäter mit signalfarbenen Uniformen sondern: Polizisten. Auch prangt kein rotes Kreuz auf der Tür sondern der Polizeistern. Anscheinend müssen mittlerweile sogar die Rettungskräfte der Polizei mit unterstützen. In 11 Jahren, in denen ich in Hamburg lebe, habe ich einen solchen „Polizeiretter“ nicht zuvor gesehen.
Ich bin gespannt, was hier noch alles so geschieht, ob es noch eine Ausgangssperre gibt oder was auch immer. Aus eigenem Interesse bin ich klar für die Ausgangssperre. Rigoros. Mit Strafbewährung. Am besten mit mindestens 5.000,-€ Strafe für Zuwiderhandlungen. Damit die Dummbeutel, für die das draußen alles nur ein Scherz und Extraurlaub ist, endlich mal die Glibbermasse im Schädel mal wieder anstrengen. Es bleibt also momentan nichts weiter zu tun als abzuwarten und zuhause zu bleiben. Stay tuned!
momentan passiert hier um mich herum so viel, dass ich entweder nicht dazu komme täglich hier meine Berichte abzuliefern oder mir einfach die Kraft dazu fehlt. Zum Glück ebbt die Corona-Panik gefühlt langsam ab, dennoch sind es täglich neue Einschläge die im Umfeld eintreffen und mich belasten. Dieser Virus kommt für mich zu einer denkbar schlechten Zeit. Tage- bzw. Wochenlang handlungseingeschränkt im Krankenhaus liegend scheint die Aussenwelt und deren Geschehnisse wie ein Film an mir vorbeizuziehen. Die vergangene Woche war da besonders extrem. Der größte Crash an den Börsen seit 1986 frisst einen Großteil der Ersparnisse im Kinderdepot von Tag zu Tag auf. Und und und. Alles nicht so einfach. Aber wird wohl schon werden.
Im Moment kann und muss ich mich auf die Therapie fokussieren. Alles andere muss ausgeblendet werden. So gut das halt geht. Also den Fokus wieder auf das Positive richten. Mein dritter Krankenhausaufenthalt ist seit Montag nachmittag beendet. Wieder einen Tag eher als der vorherige. Wenn man der Statistik glauben möchte, dann steht die Aufenthaltsdauer für Zyklus 4 dann ja schon fest. Kleiner Rechentest für dich:
Zyklus 1: 13 Tage Klinik / 8 Tage zuhause
Zyklus 2: 12 Tage Klinik / 9 Tage zuhause
Zyklus 3: 11 Tage Klinik / 10 Tage zuhause
Zyklus 4: ?? Tage Klinik / ?? Tage zuhause
Tipps und Prognosen gern in die Kommentare. 😀
Ich bin ja nun wieder zuhause bei meinen Lieben. Wie habe ich den Tag herbeigesehnt. Bevor ich die Klinik verlassen kann, gibt es noch die obligatorische Portion Hühnerfrikassee. Ich bin ja der Ansicht, dass Hühnerfrikassee zu einem Klinikaufenthalt gehört wie Mickey zu Minnie, die Statue of Liberty zu New York und Senf zur Bratwurst. Also muss das ja noch schnell erledigt werden.
Danach hole ich noch schnell meine Rezepte im MVZ Onkologie ab und dann sammelt meine Süße mich auch schon ein.
Zuhause steht dann erstmal die Sichtung der Post an. Andrea von dem Projekt „Wir können Helden sein“ (http://www.wir-koennen-helden-sein.de/) hat dafür gesorgt, dass einer der momentan größten Wünsche Maxima‘s (unserer ältesten Tochter) in Erfüllung geht. In einem Briefumschlag liegen 4 Tickets für die Mark Forster Tourstation in Hamburg im August diesen Jahres. Selbst wenn ich gesund und arbeitsfähig wäre, wäre sowas nur schwer zu realisieren gewesen. Kostet ein Ticket doch schon über 60,- €. In der Vergangenheit war es meist so, dass wir versucht haben, den Kindern ihre Wünsche so gut es geht zu ermöglichen. Konzerte waren dann aber meist nur mit einem Erwachsenen drin. Umso schöner finde ich es, dass es da Projekte wie eben das bereits genannte „#wirkönnenheldensein“ gibt, die es Familien in schwierigen Situationen ermöglicht, weiterhin die Kraft, den Mut und das Durchhaltevermögen aufzubringen, dass notwendig ist, um weiterzumachen.
Ansonsten sind wir alle derzeit näher zusammengerückt. Sowohl emotional, als auch räumlich. Alex ist zuhause im home office und die Kids haben vorgezogene „Coronaferien“. Und ich? Endlich Zeit mich auch mal ausgiebig um ihre Hausaufgaben zu kümmern. Wir versuchen auch viel zu entschleunigen. Wir schnippeln die Zutaten fürs Essen zusammen, genießen unsere Mahlzeiten ohne Störfaktoren wie Handy und Co. Abends kuscheln wir uns zusammen und schauen Filme oder spielen Spiele. Wenn das der Rest der Republik jetzt auch noch schafft, dann sollten wir das Schreckgespenst Corona doch bald auch im Griff haben und wir alle können durchatmen. Alles in Allem kann ich aber schon feststellen, dass das Leben um uns herum ruhiger zu werden scheint. Gestern und heute habe ich vorm Haus nur 2 Rettungswagen und einmal die Polizei mit Sirene entlangfahren hören. Das ist normalerweise unser Stundenpensum.
Besonders für mich und alle anderen der „Risikogruppe“ macht die aktuelle Lage nämlich besondere Sorgen. Äussert sich die Krankheit doch durch den Befall der Atemwege und Fieber. Beides Symptome, die mir Schwierigkeiten bereiten. Durch die heftige Chemo ist meine Lunge eh schon zeitweise blockiert, so dass sich das Atmen ab und an schon anfühlt, als säße ein Deckel auf der Lunge, der das tiefe Einatmen erschwert. Und durch Cortison und Co. ist mein Kopf eh dauerwarm, was Fieberermittlung nur durch Thermometermessung möglich macht.
So richtig weiß ich noch nicht, wie ich diesen Blogbeitrag anfangen soll, oder wie er am Ende aussieht und wo er hinführt. Die Zielsetzung zu Beginn ist auf jeden Fall, dir meine Sichtweise auf einen erleichterten Umgang mit der (Chemo-)Therapie zu geben.
Hast du erstmal die eigentliche Diagnose Krebs einigermaßen verarbeitet, folgen bald schon die nächsten anstrengenden Schritte. Die Liste ist mit Sicherheit nicht abschließend und hat garantiert Potential für Fortsetzungen. Diese werde ich dann nach und nach hier einstreuen.
Portlegung
Chemo- oder Antikörpertherapie
ggf. Rückenmarkspunktion
CT- und MRT-Untersuchungen mitsamt nervenaufreibender Wartezeiten auf Befunde
Krankenhausaufenthalte
zwischenmenschliche Herausforderungen
generelle sonstige Themen rund um deine Genesung (Ernährung, Ziele, usw.)
Befreie dich von der Angst.
Auch wenn es vielleicht einfacher gesagt als getan klingt: Versuche dich von der Angst frei zu machen. Vor dir liegt ein steiniger Weg – und der ist ohnehin schon hart genug. Belastest du dich nun auch noch zusätzlich mit Ängsten und Sorgen, raubst du dir selbst wichtige Ressourcen, die du für deinen Kampf brauchst. Ich weiß selbst, dass unser Gehirn uns allerhand Steine in den Weg legen kann. Aber lass dir gesagt sein: Psychologen haben herausgefunden, dass 90 % aller Befürchtungen, die wir uns machen, überhaupt nicht eintreten. Die restlichen 10 % können dann spontan geregelt und gelöst werden. Klingt doch gut, oder? Die meisten Sorgen sind tatsächlich unbegründet, wie ich dir an einem Beispiel von mir selbst zeigen kann.
„Was ist, wenn ich nicht wieder aus der Narkose aufwache?“
Das war tatsächlich meine Befürchtung, als mir der Port gelegt werden sollte. Ich war derart verängstigt, dass ich drauf und dran war, meiner Freundin alle Bankpasswörter per Whatsapp zu schicken, damit sie an meine paar Kröten kommt, falls ich nicht wieder aufwachen sollte. Wie irrational diese Angst war, zeigen ein paar Statistikzahlen:
In Deutschland werden pro Jahr rund 10.000.000 Operationen unter Vollnarkose durchgeführt.
Die Mortalität durch Narkose liegt bei etwa 70 Todesfällen pro Jahr.
Das macht eine Wahrscheinlichkeit von 1:142.857 oder in Prozent: 0,000007 %.
Noch einige Vergleiche in dem Zusammenhang:
Die Wahrscheinlichkeit an einer Grippe zu sterben, liegt bei 1:36
Das Risiko bei einem Autounfall ums Leben zu kommen, beläuft sich auf 1:90
Bei einem Glatteisunfall umzukommen ist mit 1:218 auch noch wahrscheinlicher
Ich würde gern noch dazuschreiben, dass es wahrscheinlicher ist, von einem Hai getötet zu werden, ist es aber nicht. Das scheint mir aber auch plausibel, denn in den meisten OP-Sälen gibt es nun mal mehr Anästhesisten als Haie. 😉 Aber auch das Risiko, bei einem Sturz von einer Leiter umzukommen ist exakt doppelt so hoch, wie das Mortalitätsrisiko bei der Narkose.
Das hilft doch, oder?
Tausche dich mit anderen Patienten aus
„Ich weiß überhaupt nicht, was mich erwartet!“
Deine Freunde, Familie und Angehörige werden versuchen, dich zu unterstützen, wo sie nur können. Aber es sind und bleiben deine Freunde, Familie und Angehörigen. In den wenigsten Fällen mussten sie bereits das durchmachen, was dir bevorsteht. Daher mein Tipp: tausche dich mit anderen Patienten aus. Mir hat das sehr geholfen. Anfangs habe ich mich auf „googlen“ beschränkt, was mir allerdings nicht viel Hoffnung gemacht hat. Denn hier war die Statistik ausnahmsweise mal nicht mein Freund. Denn:
Laut Statistik erkranken pro Jahr fast 500.000 Menschen in Deutschland an Krebs.
Meine Krebsart, das Hodgkin-Lymphom, verschwindet dabei mit weniger als 2.500 Erkrankungen pro Jahr ziemlich (0,5 %).
Der Lungenkrebs ist bei Männern die dritthäufigste Krebsart. Mit dieser Prognose, dachte ich mir, werde ich wohl nicht viele Mitglieder der „Hodgkin-Family“ kennenlernen. Ich sollte mich irren.
Allein in der Klinik hatte ich mit genauso vielen Hodgkin-Patienten zu tun, wie mit Lungenkrebspatienten. Das tat gut, denn so konnte ich mir schon mal ein Bild machen, was für einen Eindruck diese Patienten auf mich machen. Denn auch hier hatte ich bereits ein negatives Bild im Kopf:
Ende November 2019, also noch während des Diagnostikmarathons musste ich mich für diverse Sonographien und Punktionen zwei Tage stationär in der Klinik einfinden. Hier hatte ich leider das „Pech“, mir das Zimmer mit einem Mitpatienten teilen zu müssen, der seine Chemotherapie nicht so richtig gut vertrug. Am laufenden Band musste er sich übergeben und hatte mit massive Magen-/Darm-Problemen zu kämpfen. Und ich? Ich hoffte nur insgeheim: „Sollte ich jemals eine Krebstherapie durchmachen müssen, bitte lass diesen Übelkeitskelch an mir vorbeigehen!“.
Nun muss man aber auch sagen, so komisch das klingen mag: „Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Medizin richtig weit ist. Noch vor 15, 20 Jahren hätten unsere Prognosen wahrscheinlich alle deutlich düsterer ausgesehen. Und auch darüber kann man sich hervorragend austauschen. Nutze dazu am besten alle Kanäle, die dir zur Verfügung stehen:
Instagram (Einzelprofile, Profile von krebsspezifischen Hilfsorganisationen)
Facebook (Einzelprofile, Seiten von krebsspezifischen Hilfsorganisationen, Gruppen zum Thema Krebs für Betroffene und Angehörige)
Website und Blogs zum Thema
Für alle Kategorien werde ich mittelfristig noch eine Linksammlung machen. Ich muss mich da aber selbst erst einmal etwas orientieren. Am Ende des Tages möchte ich dir natürlich nur Anlaufstellen empfehlen, wo du dich auch wohlfühlst und nicht denkst: „Oh Gott, was ist hier denn nicht richtig!“. Denn am Ende musst du dich wohlfühlen, denn sonst kommen wir zwangsläufig in den Dunstkreis des nachfolgenden Personenkreises:
Halte dich von toxischen Personen fern!
Die Gratwanderung zwischen negativen Menschen und toxischen Personen ist fließend. Von beiden Personengruppen solltest du dich möglichst fernhalten. Du wirst immer wieder auf Typen treffen, für die alles immer ganz schrecklich ist, die sich in ihrem eigenen Leid laben, dir schreckliche Bilder in den Kopf setzen wollen oder dir Schreckensszenarien auftischen. Hier hast du eigentlich nur zwei (gute) Möglichkeiten:
radikale Akzeptanz (dann darfst du das Erzählte aber nicht an dich rankommen lassen) oder
Abkehr von diesen Menschen
Ich selbst hatte bislang 4 nennenswerte Erlebnisse dieser Art:
Nummer eins war jemand, den ich in einer Krebsgruppe „kennengelernt“ habe. Derjenige schrieb mir dann unvermittelt Nachrichten über den facebook-Messenger. Aber ziemlich zusammenhanglos, so dass ich überhaupt nicht wusste, was er von mir möchte. Er berichtete davon, dass „Menschen von der Decke“ hingen. Ich nehme an, er hat von Nebenwirkung durch die ihm verabreichten Morphine gesprochen. Verstanden habe ich es bis heute nicht. Er hat es auch nie aufgeklärt. Halte dich am besten von solchen Personen fern. Gerade im Social Media Bereich, wo der Großteil der Kommunikation auf dem geschriebenen Wort basiert, entstehen sonst schnell Missverständnisse.
Der zweite und dritte Fall ähneln sich sehr stark! Bei beiden Malen war jeweils ein älterer Herr der Mittelpunkt. Beide jeweils um die 80 Jahre alt (geschätzt). Beide waren leider sehr negativ eingestellt und wenig kommunikativ. Ich möchte das auch gar nicht verurteilen, aber es kann einen schon ganz schön runterziehen, wenn man tagelang sprichwörtlich und auch realistisch nur „nebeneinander herlebt“. Vielleicht liegt es auch einfach in der Mentalität älterer Menschen, dass sie nicht so aufgeschlossen sein können. Aber nicht nur sich selbst stehen die Menschen damit im Weg – sondern auch den anderen Patienten. Meistens trauen sie sich vielleicht auch nicht, um Hilfe zu bitten – sowohl andere Patienten, als auch das Pflegepersonal und machen es dadurch sich selbst und auch anderen schwer. Denn dadurch kommen sie in eine Abwärtsspirale aus Schmerzen, die ohne Hilfe nicht besser wird und Schmerzäußerungen, wie Stöhnen und klagen. Dadurch bedrohen sie auch die Genesung der anderen Patienten. Nun kann man diese Zimmergenossen aber schlecht des Raumes verweisen oder auf eigenen Wunsch umbetten lassen. Aber was du tun kannst: Ermutige diese Menschen, die Klingel zu drücken, wenn es ihnen nicht gut geht. Oftmals haben ältere Menschen in ihrem Leben viel Leid erlebt. Oder frage sie, ob du für sie klingeln sollst. Damit hilfst du nicht nur deinem Gegenüber, sondern im Endeffekt auch dir selbst. Keinem von euch ist geholfen, wenn ihr euch beide die Nacht um die Ohren schlagt und nicht zur Ruhe kommt.
Ein weiterer Fall war ein Patient, der zwar an Krebs erkrankt war, aber zu diesem Zeitpunkt eher wegen schlechter organischer Werte in der Klinik war. Alles in allem machte er einen fitten Eindruck, nur seine Einstellung im Kopf schien ihm selbst im Weg zu stehen. Den ganzen Tag blieb er im Bett, obwohl er mobil war, immer wieder stöhnte er in seinem Bett vor sich hin. Am ersten Tag war er der Meinung, er müsse mir seinen Chemoplan zeigen und mit meinem zu vergleichen. Er war doch tatsächlich der Meinung, sein 4 Tage langer Zyklus mit 4 Medikamenten sei „richtig schlimm“. Den Stich gewann ich dann mit meinem 14-Tages-Zyklus und insgesamt 16 Medikamenten knapp. Danach wusste er wohl, dass er bei mir mit seiner „weinerlichen“ (das Wort klingt mir eigentlich zu hart, aber mir fällt nichts passenderes ein. Hilfestellung gern willkommen!) Art nicht weit kommen wird. Dafür probierte er es mit Hundeblick bei den Schwestern und dem restlichen Pflegepersonal. Auf die morgendliche Frage: „Na, wie geht es uns denn heute?“ antwortete er immer: „Ja, gut, aber…“, was mich direkt zum nächsten Punkt führt:
Streiche relativierende Einwandswörter!
„Mir geht’s gut, aber…“
Äußerungen wie diese verstehe ich einfach nicht. Entweder es geht mir gut, dann sage ich es, oder es geht mir nicht so gut. Beides zusammen geht jedoch nicht. Genau das impliziert der Aufbau aber. Geht es dir gut, dann sag es. Geht es dir nicht so gut, dann sag auch das. Aber bitte, relativier es nicht mit Sätzen wie:
Es geht mir gut, aber…
Eigentlich fühle ich mich fit…
Heute geht es mir schon recht gut.
Das klingt irgendwie alles nach nichts halbem und nichts ganzem. Und damit können dann auch weder die Ärzte noch das Pflegepersonal richtig gut arbeiten. Also entrümpel doch einfach deinen Wortschatz um diese leeren Füllworte.
Rede offen mit den Ärzten und dem Pflegepersonal!
Wenn du dir dann angewöhnt hast, auf Füllwörter, wie „aber“, „eigentlich“ und „recht/ziemlich“ zu verzichten, dann kannst du auch offener mit den Ärzten und dem Pflegepersonal sprechen. Sie wissen dann nämlich genau, woran sie bei dir sind. Und genauso kannst du deine Fragen in die Richtung des Personals stellen. Wenn du dir unsicher bist, dann frag. Getreu dem Motto:
„Es gibt keine doofen Fragen, nur doofe Antworten!“
werden dir die Ärzte gern Auskunft auf alle deine Fragen geben. Ist es doch auch ihr Job – und nochwas: je offener und ehrlicher du bist, desto offener und ehrlicher werden auch die Klinikangestellten sein. Und gerade, wenn du, wie ich oft tage- oder wochenlang deine Chemozyklen stationär bekommst, wird das Personal wie eine Art zweite Familie für dich. Und du wirst dankbar sein und dich freuen, wenn du ein lächeln, ein offenes Ohr oder einfach nur ein nettes Wort von ihnen bekommst. Bei mir war es in jedem Zyklus so, dass gegen Abend, wenn es etwas ruhiger wurde, jemand vom Personal nochmal kurz auf einen kleinen Schwatz oder ein aufmunterndes Wort vorbeikam.
Mach dir bewusst, dass es immer Menschen gibt, denen es schlechter geht als dir!
Normalerweise sind wir darauf trainiert, uns mit anderen zu messen, zu vergleichen und zu schauen, was andere besser machen als wir oder tolleres haben. Wenn es aber darum geht, in den Kampf gegen den kleinen Sausack Krebs zu gehen, ist das eine weitere Negativsuggestion, die du deinem Kopf unterbewusst mitgibst. Konzentrierst du dich auf scheinbar gesunde Menschen, denen „es doch viel besser geht als mir selbst“, nimmst du dir wichtige Ressourcen, die du brauchst. Das ganze kommt aus dem Segment der sogenannten „Achtsamkeit“. Jeder Mensch ist in der Lage, seine Gedanken und seinen Fokus selbst in gewisse Richtungen zu steuern! Wenn du also jemand bist, der sich sonst immer mit anderen vergleicht, kannst du dich auch darauf fokussieren, wie (verhältnismäßig) gut es dir eigentlich geht. Mir hat diese Technik sehr geholfen, mich so lang wie möglich nicht den negativen Gedanken, die zwangsläufig jeden betreffen hinzugeben. Im ersten Zyklus waren es bei mir z. B. die Patienten, die mit dem Rettungshubschrauber in die Klinik eingeliefert werden mussten. Ich kann ja noch selbstständig in die Klinik watscheln. Im zweiten Zyklus waren es Patienten, deren Prognose auf Grund von Metastasen nicht so gut standen. Wie viel Glück hatte ich da doch noch, dass der Krebs bei mir noch nicht gestreut hat. Jetzt im dritten Zyklus sind es die Patienten, die nicht aufstehen können, die spezielle Matratzen bekommen, um das Wundliegen, den sogenannten Dekubitus, zu verringern. Ich kann doch noch selbstständig aufstehen und rumlaufen.
Klar, du könntest dich auch der negativen Seite hingeben. Das würde dann wohl so klingen:
„Oh, wie schlimm, ich habe jetzt Krebs!“
„Das wird doch nie wieder richtig gut!“
„Was ist, wenn ich es nicht schaffe?“
„Meine Kinder dürfen mich auf meinem Zimmer nicht besuchen, weil sie noch zu klein sind!“
Das alles waren kurzzeitig meine Gedanken während der Chemos. ABER: bringt es was? Ändert jammern etwas an der Situation? Ich sage: „Nein!“.
Stattdessen habe ich die obigen Sätze für mich folgendermaßen umformuliert:
„Ja, ich habe Krebs! Aber ich kann ihn besiegen. Und ich werde ihn besiegen!“
„Wenn das ganze Thema durch ist, freue ich mich auf ein aktiveres, gesünderes Leben!“
„Weiter so, dann ist es bald geschafft!“
„Ich freue mich, dass meine Kinder gesund sind. Und zum Glück können wir uns im Innenhof der Klinik treffen und eine schöne Zeit miteinander verbringen.“
Es gibt da so einen Spruch, der ist zwar abgedroschen, aber genauso wahr:
„Wer will findet Wege, wer nicht will, der findet Gründe!“
Leider kenne ich den Urheber des Satzes nicht. Wenn du dazu vielleicht was weißt, dann kannst du mir ja einen Kommentar dazu dalassen, dann kann ich das hier ergänzen.
Trau dich, um Hilfe zu bitten!
Irgendwann wirst du an einen Punkt kommen, an dem du vielleicht nicht weiterweißt. Dann heißt es: TRAU DICH, UM HILFE ZU BITTEN. Egal, was es ist, für alles gibt es eine Lösung. Du musst nur drüber sprechen. Wie auch beim Thema mit der Angst (ganz oben) bestehen die meisten Limitierungen nur in deinem Kopf.
„Was sollen die Leute denken?!“
„Ich trau mich nicht!“
„Das schaffe ich ja so oder so nicht!“
Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden. Also sprich darüber, wenn dir was wehtut oder du anderweitige Sorgen hast.
Gib deinem Körper gesundes – aber gönn dir auch was!
Du wirst bemerken, dass du während der Chemotherapie plötzlich andere Vorlieben entwickelst als vorher. Bei mir ließ es sich am besten daran bemerken, dass sich mein Appetit auf Süßigkeiten in allen Variationen deutlich reduzierte. Dafür feierte ich plötzlich Brote mit Tomatenscheiben drauf, aß zuerste die Erbsen und Möhren und danach erst die Fleischkomponente auf meinem Teller, bevorzuge Saftschorlen statt gesüßter Softdrinks und greife eher zu Haferflocken mit Joghurt, Obst und Nüssen zum Frühstück als zur Nutellaschrippe. Der Körper ist ein erstaunliches Konstrukt und zeigt dir ganz genau, was er wann und in welcher Form braucht. Du musst nur auf ihn hören. Aber lass dich auch nicht von (meist selbsternannten) Ernährungsgurus verrückt machen. Du musst nicht gänzlich auf Fleisch, Zucker oder andere Dinge verzichten, die du vorher gern verzehrt hast. Also gönn dir auch mal was „nicht so gesundes“. Auch bei mir gibt es diese Phasen immer wieder. Erst beim letzten Einkauf hatte ich in der Getränkeabteilung ein ziemliches Verlangen nach Cola-Orangen-Mix. Ich habe mir zwei Flaschen mitgenommen – zusammen mit Multivitamin-, Apfel- und Kirschsaft. Auch Süßigkeiten finden immer mal wieder den Weg auf meinen Speiseplan. Oder, wenn es das Portmonee zulässt: eine Schlemmertasche aus der Bäckerei in der Klinik. Die ist megalecker.
Käsebrötchen
Remoulade
Kochschinken oder Putenbrustschinken
Käse
Gurke
Tomate
Salat
Das ist für mich momentan das kulinarische Paradies, daran kann ich mich nicht satt essen. Da ist einfach alles drin, dran, drauf was ich liebe.
Denn: nur weil wir Krebs haben, heißt das ja noch lange nicht, dass wir das Leben nicht trotzdem genießen dürfen, oder?
Sorg für ausreichend Bewegung – wenn es möglich ist!
Bewegung ist wichtig. Sowohl für den Kopf, als auch für den Körper – und auch sowohl die körperliche Bewegung, als auch die Geistige. Wenn du also nicht bettlägerig bist, sorg dafür, dass du jeden Tag eine Runde läufst. Egal, ob durch die Klinik, den Klinikpark (wenn es einen gibt) oder einfach nur um das Gebäude. Wenn du mit den Ärzten darübr sprichst, werden sie dir bestätigen, dass Bewegung gut ist. Und vielleicht könnt ihr absprechen, dass du vielleicht auch in einem gewissen Radius das Klinikgelände verlassen kannst. Ich für meinen Teil gehe immer gern zum Supermarkt in der Nähe der Klinik. Ist zwar „nur“ ein knapper Kilometer, reicht aber aus um den Körper in Schwung zu bringen und den Kopf mit frischer Luft zu fluten. Und ausserdem: Unter Einfluss von Chemomedikamenten kann man auch für einen Kilometer schon eine gute Zeit brauchen. Ich fühle mich manchmal wie eine Schildkröte auf Valium. 😀
Genieße Dinge, die dir Spass machen!
Ich für meinen Teil lache sehr gerne. Das war schon immer so. Deshalb umgebe ich mich auch gern mit anderen Menschen die gern lachen und positiv sind. In der Klinik ist das oftmals nicht so einfach. Deshalb versuche ich hier anderweitig Dinge zu konsumieren, die Spaß machen. So kannst du dir im TV, auf Online-Streamingportalen oder auf Tonträgern witzige Filme, Hörspiele / Hörbücher oder Comedyprogramme ansehen oder anhören. Auch das gute alte Witzebuch funktioniert immer noch so gut wie eh und je. Darüber hinaus ist es mir auch immer wichtig, dass meine Freunde und ich weiterhin rumblödeln, wenn sie zu Besuch kommen. Kleine Kostprobe aus dem Bereich des Paradoxen?
Schwarze Johannisbeeren sind, wenn sie noch rot sind eigentlich noch „grün“.
Es ist paradox ist, wenn ein Trabantfahrer sagt: „Der ist nicht von Pappe!“.
Oder wenn eine Kuh einen Ochsen anstiert.
Oder wenn man sich im Handumdrehen ein Bein bricht.
Zum Abschluss dieses Abschnitts möchte ich es mir dann nicht nehmen lassen und ein Video eines meiner Lieblingscomedians einzufügen. Denn wie sagt man so schön: „Lachen ist die beste Medizin!“. Ausser bei Durchfall!
Unterstützung ist wichtig. Je mehr Leute Bescheid wissen, desto besser – je vielfältiger die Wissenstände der einzeln, umso wertvoller. Das zählt für alle Bereiche des Lebens. Neben der oben erwähnten Leidenschaft zum Lachen ist die Musik mein ständiger Begleiter. Bin ich mal down, hilft mir die Musik abzuschalten und zur Ruhe und Besinnung zu kommen. Daher habe ich mir bei dem von mir favorisierten Streamingdienst eine Playlist angelegt, in die jeder, der den Link hat, einen oder mehrere Songs beitragen kann. So sind über meine Chemozyklen bereits fast 250 Songs zusammengekommen. Die Playlist läuft fast ausschließlich bei mir auf heavy rotation. Und mit jedem Song weiß ich, dass Menschen hinter mir stehen, mich unterstützen und mit den Songs an mich denken.
Setze dir Ziele!
Nichts ist frustrierender, als nicht zu wissen, was kommen wird. Dadurch verfällst du leicht in Lethargie und raubst dir erneut die wichtige Energie, die du für deinen Weg durch die Therapie brauchst. Ich habe mir angewöhnt, mir Tag für Tag kleinere und mittel- bis langfristig größere Ziele zu formulieren, die ich umsetzen möchte. Im Tagwerk sind das eher Kleinigkeiten, wie:
Zu Fuß zum Einkaufen zu gehen
Mehr Lebensmittel in Glasbehältern kaufen – weniger Kunststoff- und Metallverpackungen
Weniger zuckerhaltige Softdrinks, dafür mehr Fruchtsaftschorlen
Mehr selbst kochen, weniger „Fertigfutter“
Öfter das Rad statt das Auto nehmen
Mittelfristig habe ich mir Ziele gesetzt, die für die Zeit nach der Chemotherapie und Reha relevant werden. Sie haben eher Belohnungscharakter als Anerkennung an mich für die geleistete Arbeit, die ich hinter mich gebracht habe:
Mit meiner Familie ein bestimmtes Konzert besuchen.
Mit einem Camper nach Norwegen und Nordlichter fotografieren
Mehr Zeit mit der Familie verbringen und diese bewusster genießen
Medienzeit messbar reduzieren und das Smartphone öfters mal beiseite legen.
Meine langfristigen Ziele sind bislang noch nicht so zahlreich, da ich mich aktuell mehr auf das „hier und jetzt“ fokussiere und eher mittelfristig plane. Zwei Ziele habe ich aber bereits gefasst, an denen ich auch jetzt schon teilweise jeden Tag etwas arbeite:
2020/2021: Gründung eines kleinen gemeinnützigen Vereins oder Stiftung, um nach all dem Support, den ich während meines Weges erfahren durfte, auch etwas an andere zurückzugeben.
2022: Teilnahme an einem bestimmten Crossfit-Wettbewerb
Wichtig bei allen Zielen ist, dass du sie so genau wie möglich fomulierst. „Ich will mich gesünder ernähren“ ist nicht so spezifisch wie „Ich möchte versuchen, an 3 Tagen pro Woche auf gesüßte Getränke zu verzichten!“. In meinem Arbeitsleben habe ich bislang recht viel mit Projekten und Zielen Kontakt gehabt. Das half mir bereits sehr bei der guten Definition von Zielen. Eine sehr gute Regel dafür ist zum Beispiel die sogenannte „SMART“-Regel. Hierbei steht jeder Großbuchstabe für eine Zieleigenschaft:
S; Spezifisch – benenne dein Ziel so genau wie möglich
M: Messbar – definiere die Häufigkeit und die Qualität, die du bei deinem Ziel erreichen möchtest
A: Ausführbar – Setze dir Ziele die erreichbar sind.
R: Realistisch – Dein Ziel sollte mit deinen Mitteln erreichbar sein
T: Terminiert – Wann möchtest du das Ziel erreicht haben?
Zum Schluss noch ein gutes und ein schlechtes Beispiel von Zielen:
Schlechtes Beispiel: „Ich möchte wie Superman sein!“. Wieso ist das ein schlechtes Beispiel? Die „SMART“-Formel verrät es uns:
Ist es „spezifisch“? Nicht wirklich, oder? Was genau macht „Superman“ denn aus? Und was davon ist es, dass du erreichen möchtest? Dir die Nächte um die Ohren schlagen und Menschen retten? Aussergewöhnliche körperliche Resistenz? Schicke Spandex-Klamotten?
Ist es „messbar“? Auch nicht so richtig. Woran macht man fest, wie oft Superman Superman ist? Ist Superman immer Superman oder auch oft nur Clark Kent
Ist es „ausführbar“? Die wenigsten von uns werden vom Planeten Krypton stammen – und ein Prozedere, dass uns in Superman transformiert, ist mir (leider) nicht bekannt. Also: neeee, next!
Ist es „realistisch“? Ich mach es kurz: Nein! Ich hab selbst schon oft genug versucht, Superman zu werden / zu sein. Ich bin halt einfach Alex.
Ist es „terminiert“? Das Ziel „Ich möchte wie Superman sein“ verfügt über kein Anfangs- und oder Enddatum. Also auch hier nein. In der Schule würde man für so eine Zielformulierung wohl eine 6 kassieren. Setzen!
Ein wesentlich besseres Beispiel ist das Folgende: „Ich möchte ab morgen mindestens 2x pro Woche für jeweils 30 Minuten in meinem Fitnessstudio ein Cardiotraining absolvieren!“. Gehen wir auch hier mal in die Analyse:
Ist es „spezifisch“? Ich finde schon. Wir haben das Ziel sehr genau definiert. Sogar an einen Startzeitpunkt haben wir gedacht.
Ist es „messbar“? Auch das! Denn am Ende der Woche kannst du dir ja sehr einfach beantworten, ob du dich 2x oder öfters im Studio abgerackert hast!
Ist es „ausführbar“? Wenn du bereits in einem Fitnessstudio angemeldet bist, dann uneingeschränkt „ja“. Wenn nicht, kannst du dich anmelden – also auch „ja“.
Ist es „realistisch“? 2x pro Woche ein moderates Cardiotraining von 30 Minuten Länge zu absolvieren halte ich für sehr realistisch. Anders sähe es dann schon bei einer Dauer von 3 bis 4 Stunden aus.
Ist es „terminiert“? Du hast das Ziel zumindest auf einen Anfang („ab morgen“) und einen Umfang („für jweils 30 Minuten“) definiert. Die Königsklasse wäre dann auch noch ein Enddatum („für die Dauer von 6 Monaten.“). Da aber Cardiotraining immer gut ist, drücken wir hier ein Auge zu. Cardiotraining geht immer – auch für den Rest deines langen, gesunden, glücklichen Lebens!
LASS DIR ZEIT – Gut ding braucht weile!
Du hast dir alle diese Tipps zu Herzen genommen, aber es klappt trotzdem noch nicht so richtig? Keine Panik. Alles kommt mit der Zeit. Versuche bei Rückschlägen zu reflektieren, woran es lag. Hast du dir deine Ziele zu eng gesteckt? Versuch es nochmal mit etwas reduzierten Parametern. Auch kleine Fortschritte sind Fortschritte.
SPRICH ÜBER DEINE ERKRANKUNG!
Zu guter Letzt eine Bitte und ein Rat gleichermaßen. Teile dich mit. Für mich selbst wäre es undenkbar gewesen, einen Blog aufzusetzen oder auf meinen social media Kanälen über das Thema Krebs im Allgemeinen und über meinen Weg dadurch zu berichten. Durch Zuspruch von allen Seiten habe ich mich aber dennoch dazu durchgerungen, darüber zu sprechen. Daraus habe ich für mich festgestellt: „Es macht Mut!“. Nicht nur mir selbst, sondern mittlerweile auch anderen. Dafür alleine hat es sich schon gelohnt.
Abschließend muss ich aber als kleinen Disclaimer mitgeben, dass ich kein psychologisch ausgebildeter Fachmann bin, sondern lediglich Wege und Mittel schildere, mit denen ich gute Erfahrungen gemacht habe. Du selbst kannst einzig und allein entscheiden, ob und was du übernimmst.
Momentan passiert ziemlich viel um mich herum. Auf der anderen Seite bin ich aber auch derbe müde, um hier regelmäßig was zu veröffentlichen. Ich hoffe, ihr seht es mir nach. Ich mach jetzt mal wieder einen kleinen Wrapup der letzen 3 Tage. Der wird es allerdings in sich haben. Also lieber mal vorsichtshalber aufs zarte Popöchen setzen. Es wird ähnlich sozialkritisch wie sonst nur „die Simpsons“.
Der alte Mann auf meinem Zimmer ist heute entlassen worden. Ich bekomme zum Trost eine Portion Fenistil, Bleomycin, Vincristin und Paracetamol. Prost!
Nach einem kurzen Plausch mit Fr. Dr. über meine Werte und mein Befinden: „Wir können eigentlich Copy & Paste von gestern machen, Frau Doktor! Es geht mir nach wie vor gut!“, nutze ich die Stille ohne Zimmergenossen und schlafe noch ein bisschen. Sehr gut getimed, wie ich finde, denn das Fenistil macht müde. Jemand hat vergessen, den Sauerstoff abzustellen, der durch die Kartusche mit Wasser fließt um dem alten Mann das Atmen etwas zu erleichtern. Somit blubbert der munter durch die Kartusche mit Flüssigkeit. Das hat was herrlich beruhigendes. Genauso wie die Sonne, die warm auf meine nackten Füße scheint. Herrlich.
Das allgegenwärtige Thema ist natürlich auch bei mir und in der Klinik „Corona“. Ich hab es da hier in der Klinik aber noch recht gut getroffen. Da ist Hamburg ja top aufgestellt. Die Alarmierungs- und Behandlungskette sieht meine Klinik erst an Stelle 3 zur Behandlung von Corona-Patienten vor. Als erstes werden alle Corona-Fälle im Universitätsklinikum Eppendorf behandelt, wenn da die Kapazitäten ausgeschöpft sind, wird das Bundeswehrkrankenhaus in Wandsbek in Zuständigkeit versetzt. Erst dann ist die Asklepios Klinik Barmbek vorgesehen. Alles in allem also doch ziemlich unrealistisch, dass ich einem erhöhten Risiko ausgesetzt bin. Aber dennoch… allein die ganze Medienpräsenz, die Panik und Hysterie macht mich und alle um mich rum auch langsam echt wuschig und geht an die Substanz. Das ganze erscheint mir schwerwiegender als der Virus an sich.
Erschwerend kommt hinzu, dass fast alle rund um die Uhr ununterbrochen online sind und mit News und Fake News nur so zugebombt werden.
Ich habe in den vergangenen Tagen oft versucht Erinnerungen an 2002/2003 hervorzukramen als SARS das erste Mal auftrat. Was soll ich sagen? Da gibt es keine Erinnerungen dran. Damals schien das Leben ohne Panik und Hysterie weiter zu gehen. Dann gab es 2012 wohl auch noch MERS?! Wie haben wir das nur überlebt? Und dann kam der Siegeszug der Smartphones und damit einhergehend scheinbar auch die totale Verblödung bei gleichzeitiger Paniksensibilität und Hysterieanfälligkeit der Bevölkerung.
Was ich dieser Tage alles so gelesen habe, lässt mich ernsthaft mit dem Kopf schütteln und ich frage mich, wo die Fähigkeit der Menschen geblieben ist, Fakten zu prüfen. Alles wird unverifiziert und ungefiltert weitergegeben. Wie die Schafe. Eins blökt „Mäh“, alle anderen stimmen ein.
Beispiel gefällig? In einer WhatsApp-Gruppe hieß es: „Kaufland macht alle Filialen zu!“. Keine Quellenangabe, nichts. Einfach stumpf und ungefiltert weitergeblökt. Ein kurzer Besuch von mir auf der Facebook-Seite sorgt für Aufklärung:
Ich glaube, dass ist die wahre Gefahr, bei der ganzen virulogischen Lage, in der wir uns befinden. Das bewusste oder unbewusste Streuen von Falschinformationen.
Weiteres Beispiel…
Behauptung: „IKEA in Schnelsen hat geschlossen!“
Wahrheit: „Das Småland wurde geschlossen, damit die Kinder keinen erhöhten Gefahrenquellen ausgesetzt sind.“
Und was mach ich? Ich frage mich, ob ich der einzige verbliebene Mensch bin, der in der Lage ist, Aussagen zu hinterfragen und Fakten zu prüfen.
Leute… ihr habt doch eh Langeweile. Da könnt ihr doch auch weitere 10 Sekunden investieren und mal kurz eine Faktenprüfung durchführen, bevor ihr all eure WhatsApp-Gruppen, Facebook-Freunde oder Instagram-Follower verrückt macht!
Das bringt mich dann auch zum nächsten Tagesordnungspunkt für heute. Meine Atemschutzmaske aus Baumwolle ist mittlerweile mein Heiliger Gral geworden. Er schützt mich zumindest vor 98 % der Keime, Viren und Bakterien. Aber auch da gibt es mittlerweile ernste Einschränkungen. Mundschutzmasken werden hier in der Klinik mittlerweile weggeschlossen und rationiert. Jede Schwester, jeder Pfleger und jeder Arzt bekommt pro Schicht inzwischen nur noch EINE MASKE. Weil der Bestand sonst in Gefahr gerät. Warum? Weil anscheinend auch Mundschutzmasken von Hysterielämmern gebunkert werden. Masken, die für andere Leute lebenswichtig sein können, liegen in Haushalten rum, wo sie wahrscheinlich in ein paar Monaten weggeworfen werden, wenn das Thema durch ist. Und Klopapier… warum Klopapier? Ich denke, Corona schlägt auf die Lunge? Klopapier ist doch aber für den Ar***. Und Nudeln!? WARUM NUDELN?! Aus Nudeln kann man nichts machen außer…. NUDELN. Warum kauft man dann nicht wenigstens Kartoffeln? Ich hab da lange drüber nachgedacht. Der für mich einzig logische Ansatz:
Die oben bereits erwähnte fortschreitende geistige Unterkapazität. Ich habe die Befürchtung, dass die Leute vielleicht einfach keine Kartoffeln mehr kochen können. Weil auf der Kartoffel keine Kochzeit drauf steht? Oder braucht es zum Kochen von Kartoffeln ein YouTube-Tutorial? Die Kartoffel… ein scheinbar unterschätztes Nachtschattengewächs. Wir haben zuhause Kartoffeln, so mein aktueller Sachstand. In der Krise, so denn eine kommt, kann ich mich also auf meine Süße verlassen, das wir zumindestens kulinarisch nicht an blanker Ödness verrecken. Oh du Kartoffel. Quell schier unerschöpflicher Mahlzeitenvariation:
Kartoffelpuffer
Kartoffelpüree
Salzkartoffeln
Pommes
Kartoffelauflauf
Kartoffelsalat
und, und, und
Aber nein… NUDELN! Und REIS! Das ist doch alles unterschwellige Psychologie. Woher kommen denn Reis und Nudeln? Reis? Aus China. Woher kommt der Corona-Virus? Bing, bing, bing… Jackpot! China! Woher kommen denn die Nudeln? Ja!!! Aus Italien – da wo der Virus gerade schön am meisten wütet. Ich bleib bei der Kartoffel! Der 14.03. wird ab jetzt für mich persönlich Welttag der Kartoffel sein. Passt auch gut zum Schnitzel. Ein weiteres Traditionsrezept. Hat heute auch einen eigenen Welttag. Einfach mal „Schnitzel 14.3.“ googlen. Es lohnt sich. Versprochen! 😂 Das ist dann mal was lustiges abseits der ganzen Hysterie. Nochmal á propos Hysterie: Was das alles für Kreise zieht, sieht man ja auch an den Börsen. Tiefstwerte wie vor 16 Jahren. Grandios… wäre jetzt ein guter Zeitpunkt um günstig Aktien zu kaufen. Wenn man cash hätte und nicht all seine Ersparnisse in Nudeln, Reis und Klopapier investiert hätte.
Nächstes Thema:
Hier in der Klinik herrscht seit 3 Tagen Besucherregulation. Heißt: jeder Patient darf pro Tag nur noch eine Person zu Besuch empfangen. Damit leistet die Klinik ihren wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Epidemie. Das ist auch so etwas, was ich nicht verstehe. Da ist ein Virus unterwegs und das Volk muss dezidiert darauf hingewiesen werden, was zu tun ist. Ich habe das Gefühl, dass die Leute es zuhause nicht mehr aushalten. Haben denn alle Feuerameisen auf der Couch oder warum kann man nicht mal eine Zeit lang mit dem Hintern zuhause bleiben?! Klar, Besuch bekommen ist schön, richtig und wichtig. Aber es gibt auch Patienten, die mit ihrem Immunsystem aufpassen müssen. Wie ich zum Beispiel.
Ach und nochwas. Für alle Panikhäschen (ich hätte fast Panikhöschen geschrieben. Hätte aber auch gepasst) da draußen: wenn ihr Panik habt, dann schaut euch mich an und erhebt mich in den Stand einer Gottheit! Ich lebe hier gerade mehrfach am Limit! Im allerwahrhaftigsten Sinne des Wortes.
Meine Blutwerte sind im Keller
Schutzmasken sind knapp
Nudeln gab es hier seit Tagen nicht mehr als Beilage
Und, und das ist der entscheidende Punkt der mich für den Megaman-Award 2020 nominiert und legitimiert.
Ich teile mir das Zimmer mit einem Italiener!
Ohne Witz. Und ich lebe noch. Ziemlich gut sogar. Und er auch. Obwohl: manchmal verspüre ich den Drang ihn mit Desinfektionsmittel zu besprenkeln wie der Pfarrer mit dem Weihwasser in der Kirche. 😁
Das war es dann vorerst für heute und die vergangenen Tage. Sorry, war sehr sozialkritisch, aber extreme Zeiten erfordern nun mal extreme Maßnahmen. Und ein Augenzwinkern! 😉 Und bald ist der Zyklus 3 von 4 ja dann auch geschafft und ich darf nach Hause. Ich hoffe, es gibt Nudeln! Und Klopapier.
Heute befasse ich mich mal damit, warum die Maske mein Lebensretter sein kann. Viele fragen mich: „Musst du denn isoliert werden?“ „Darfst du die Klinik nicht verlassen?“ „Triff dich doch einfach draußen mit deinen Lieben!“. Das ist leider bei mir nicht so einfach. Die heftige Dosis meiner Chemotherapie wirkt sich leider sehr negativ auf meine Blutwerte aus. Im ersten Zyklus starben dadurch meine Neutrophilen komplett ab, also die Fresszellen im Blut, die eindringende Viren und Bakterien aufnehmen und verdauen. Eine Neutropenie Grad 4 war das Ergebnis. Wie du auf der Skala in Bild 2 sehen kannst, kommt nach Grad 4 nicht mehr viel… Generell kann man bei einem gesunden Immunsystem von 4.000 bis 10.000 Leukozyten pro Mikroliter Blut (das sind alle Arten von weißen Blutkörperchen – Neutrophile sind eine Untergruppe der Leukozyten) ausgehen. Bei meiner Größe und meinem Gewicht hat mein gesamtes Blut im gesunden Zustand etwa 32 Mrd. Leukozyten. Aktuell sind es aber nur 2,4 Mrd. Zellen. Das macht einen Anteil von 7,5 % aus. Der Wert pro Mikroliter Blut liegt bei mir derzeit bei 300 Zellen. Alles unter 500 bedeutet: „vollständiger Verlust der Immunfunktion.“. Daher ist es für mich jeden Tag ein erneutes Abwägen, ob ich es riskiere, meine Lieben zu sehen oder eher nicht. Und das die Zeilen von Sido‘s Songchorus „Ich & meine Maske“ leider derzeit echt gut passen. Corona setzt der Gefährdungslage und meiner Unsicherheit dann leider immer noch die Krone auf. Ironisch, oder? Heißt Corona doch auf Spanisch „Krone“. So schließt sich der Kreis. Wie das Rund einer Krone.
Ja, zugegeben, es ist gerade ruhig hier auf meinem Blog. Das liegt aber daran, dass hier gerade nichts spannendes passiert. Meine Vitalwerte sind nach wie vor im grünen Bereich, ich nehme jeden Tag fleißig meine Pillen und gut ist. Ich will euch ja nicht mit Dingen auf den Keks gehen, die ihr selbst alle draußen eh auch mitbekommt. Aber wenn ihr wollt. Dann halt aber wenigstens so:
Würde ich den Text meines Blog „Das (B)LOGBUCH des Herrn van Hecklundt“ wörtlich nehmen, Klänge der LOGBUCHEINTRAG der letzten Tage wohl so:
„Wir sind jetzt 3 Tage lang auf hoher See. Immer nur Wasser unter dem Kiel unserer MS CANCERIA. Hin und wieder passieren wir kleinere Inseln, trauen uns aber nicht an Land. Irgendwas scheint ‚da draußen‘ vorzugehen. An den Ufern der Inseln tummeln sich Leute neben Haufen von Nudeln, Reis, Desinfektionsmitteln und Klopapier. Wir lassen eine Flaschenpost zu Wasser und fragen die Eingeborenen, was Sache ist. Die Antwort ist kryptisch:
„Weltweite Katastrophe! Corona-Virus! Wir werden alle sterben!“.
War also doch eine gute Entscheidung, keinen Fuß auf die Inseln zu setzen. Ich befehle dem Smuut zu prüfen, ob wir in unseren Biervorräten auch Vorräte an Corona halten. Schweißperlen treten auf seiner kahlen Glatze hervor. Er hustet trocken. Nach 30 Minuten kommt er mit beruhigenden Nachrichten zurück: „Nur Multivitamin-, Apfel-, Kirschsaft und eine letzte Flasche Mischmasch. Bei den Festvorräten ist die Stracke aufgebraucht, die Runde auch alle. Da sind wir leergefegt! Haben aber noch etwas Obst in der Kombüse und Naschkram im Frachtraum. Eine Scheibe Brot hat eine kleine Schimmelstelle!“. „Könnte schlimmer sein!“ entgegne ich und befehle, die Schimmelbrotscheibe zu den Haien über die Planke gehen zu lassen und drehe eine Flasche Multivitaminsaft auf.
Mehr kann ich leider derzeit nicht berichten. Bis dann ganz bald. Ich hau mich wieder in die Hängematte und harre den Dingen und den Strapazen dieser längeren Überfahrt. Sollte alles nach Plan laufen, erreichen wir spätestens kommenden Mittwoch den sicheren Hafen von New Hamburg. Das bedeutet dann wieder Wein, Weib, Witzigkeit!
Es ist mittlerweile der 10.03.2020 04:19 Uhr. Seit bestimmt zwei Stunden liege ich wach. Der Grund? So vieles. Ungewissheit, Paniktendenzen, ein alter Mann, mit dem ich mir mein Zimmer teile und der nachts vor sich hinstöhnt, als müsse er einen Eiche-massiv-Schrank verrücken. Verrücken… da ist doch das Adjektiv „verrückt“?! Das werde ich hier auch bald, wenn das so weitergeht. Und dabei muss ich mich fragen, warum ein Patient, mit dem die Ärzte in der Visite immer nur über seinen Herzinfarkt reden, auf der Onkologie liegt. Ich bin ja, glaub ich, echt geduldig, aber irgendwann nervt es auch mich. Aber da muss ich halt jetzt auch durch. Generell scheine ich mir ja die „beschissenste“ Zeit ausgesucht zu haben, um gegen den Bastard Krebs anzutreten. Corona hier, Corona da, nur nicht mehr im Kühlschrank. Aber das ist mir auch ziemlich schnuppe, ich soll ja Alkohol eh meiden. Schaff ich auch. Um Klopapier muss ich mir zum Glück auch keine Sorgen machen, aber anscheinend wirklich um Nudeln und Reis. Reis gab es seit letzten Donnerstag nicht einmal. Bei Nudeln bin ich mir auch nicht mehr so sicher. Dafür Kartoffelstampf dass es einem zu den Ohren rauskommen kann. 🤪 Sorgen mache ich mir auch um Mundschutzmasken. Die Schwester sagte gestern zu mir, dass die Belieferung schwierig ist und dass derzeit nur auf die Vorräte und Reserven zurückgegriffen werden kann/muss. Aber hey! Ist ja nicht so schlimm. Hauptsache da draußen bunkern mental verstorbene aber sich bester Gesundheit erfreuender Panikschafe Sterilium, Mundmasken, Nudeln oder Reis. Mundmasken, die sie benutzen können, WENN sie sich Corona aufgehalst haben, um andere NICHT anzustecken. Nicht, um sich davor zu schützen. Denn die Fetzen schützen nicht großartig vor Infektionen von außen. Sagt man zumindest. Ich bin ja kein Diplom-Maskologe. Kauft doch lieber Kartoffelpüree (Begründung: siehe oben!) Ich hoffe nur, dass es noch genügend von den Mundmasken gibt, wenn mein Blutbild demnächst erwartungsgemäß nach unten rauscht und das Pflegepersonal die Umkehrisolation verhängt. Die Börsen spielen auch verrückt. Mal hoch, mal runter. Wäre die Börse eine Wippe, jedes Kindergartenkind hätte seine blanke Freude. 😂 Das einzige, was stabil zu bleiben scheint, ist der Dönerpreis. Und damit schließe ich meine Nörgelvorstellung und leite in bester Gottschalk’scher Manier über zu den Good News of Life! Ja, meine lieben Leser jüngeren Baujahres als 1988, Gottschalk, mit Vornamen Thomas, war mal ein Fernsehmoderator. Ist er vielleicht immer noch, man sieht aber nicht mehr viel von ihm. Ab und an schawänzelt er mal bei Germany‘s next Kleiderständer rum. Kurz gesagt: Thomas Gottschalk ist der Joko Winterscheid der 80er und 90er Jahre. Nur mit mehr Haaren auf dem Kopf, dafür weniger im Gesicht. Aber zurück zum Döner – die wichtigen Themen halt -. Meine Süße und unsere Kinder sind heute aus dem für mich ausgefallenen Allgäu-Urlaub zurückgekommen und haben mich natürlich direkt besucht. Mit einem Döner. 😄 Lecker. Ich hätte auch zwei verdrücken können, weil das Mittagessen eher suboptimal war. Eine Scheibe Leberkäse und Überraschung: Kartoffelpüree! Keine coole Kombination mit dem Cortison-Dauerkohldampf. Die Mädels haben mir aufgeregt von ihren Urlaubsabenteuern erzählt. Meine Jüngste hat ein neues Zahlwort erfunden. Die unbestimmte Menge an Personen im Zahlenraum zwischen 2 und 3. „Da nimmt man sich einen Reifen, geht zur Rutsche und dann kann man da zu zwitt rutschen!“. Zu zwitt… ich liebe es. Und sie. Zu zwitt. Das werde ich jetzt etablieren. So wie „drölfzig“. 😂 Leider waren sowohl die Mädels von der Fahrt, als auch ich von den letzten Chemotagen groggy, so dass wir uns nicht so lange Gesellschaft leisten konnten, wie wir es gern gewollt hätten. Aber morgen – vielmehr heute – ist ja auch noch ein Tag.
Na, wer entdeckt mein kleines Superhelden-Geheimnis? 🦇
Ansonsten gibt es glaub ich nicht mehr so viel zu sagen zum 09.03.2020. Ich versuche jetzt um 05:00 Uhr noch etwas zu schlafen. Achso: morgen (nein! Heute) Nacht ist Vollmond mit höchster Strahlkraft. Ich hoffe aus den Coronanten werden dann keine Zombies. Wenn ich die Geräusche höre, die nachts aus meinem Zimmerbeiliger kommen, befürchte ich das aber schon. Ich wüsste nicht, wo ich so schnell so ein Anti-Zombie-Outfit herbekomme, wie Milla Jovovich es in Resident Evil trägt (schreibt man das so? Oder doch Milla Jowowitsch?), herrje, ich Google das jetzt. Hach, war doch im ersten Anlauf richtig! In diesem Sinne: Gute (Rest-)Nacht!
Im heutigen Schmökersonntag möchte ich einmal auf das vielleicht schwierigste Teilthema eingehen, mit dem man sich im Rahmen einer Krebserkrankung vielleicht befassen muss. Wie erklärt man Kindern, dass Mama, Papa oder vielleicht das Geschwisterchen an Krebs erkrankt ist? Wie ihr ja vielleicht wisst, bin ich selbst Vater zweier kleiner Kinder im Alter von 7 und 9 Jahren.
Da die Krankheit erst langsam schleichend als Prognose auf uns zukam, dann aber alles Knall auf Fall ging, hatten wir nicht großartig Möglichkeiten, uns über die Aufklärung der Kinder Gedanken zu machen. Wir haben es dann so gut es geht mit eigenen Mitteln in etwa so versucht:
„Mädels, wir müssen euch mal was erzählen. Papa muss in der nächsten Zeit öfters mal ins Krankenhaus. Ich möchte euch auch sagen warum. Jeder Körper besteht ja aus ganz vielen Zellen. Alles, was ihr an eurem Körper seht, ist eine Verbindung ganz vieler Zellen. Haare sind Zellen, eure Zunge, Augen, euer Gesicht, Haut, eure Organe, euer Blut. All das besteht aus Zellen. Ab und zu kann es bei Menschen vorkommen, dass sich die Zellen aber nicht so verhalten, wie sie es sollten und einfach immer weiter wachsen, obwohl sie eigentlich schon fertig sind. Das ist bei Papa der Fall. Ein paar meiner Zellen sind zu groß geworden und deshalb muss ich jetzt ein paar mal ins Krankenhaus. Aber ich bin mir sicher, dass die Ärzte mir da gut helfen können, dass meine Zellen bald wieder gesund werden. Allerdings wird es ein paar Veränderungen an mir geben. Die Ärzte werden mir Medikamente geben, die die kranken Zellen vertreiben sollen und neue gesunde Zellen aufbauen. Diese Medikamente können aber nicht so gut zwischen gesunden und kranken Zellen unterscheiden, so dass es passieren kann, dass auch viele gesunde Zellen verschwinden. Aber keine Sorge, die wachsen ja auch wieder nach. Ich hab euch ja auch eben schon erzählt, dass auch Haare Zellen sind. Es kann also auch sein, dass die Medikamente meine Haarzellen angreifen, so dass die dann ausfallen. Das sieht am Anfang vielleicht ungewohnt aus, aber auch die Haare kommen dann wieder, wenn alle Zellen wieder gesund sind. Für mich ist es wichtig, dass ihr, wenn ihr Fragen habt, oder ihr euch um etwas sorgt, mit mir oder Mama darüber sprecht, ok?“
Diesen Ansatz haben die Kinder für mein Empfinden wohl auch recht gut aufgenommen. Wir haben mit Absicht das Wort „Krebs“ nicht in den Mund genommen. Für unsere Mädels kann das Wort „Krebs“ gern noch eine Zeit lang mit den kleinen Krabbeltieren verbunden bleibt, die wir immer an der Ostsee sehen.
Nun habe ich mich aber zwischenzeitlich aber auch ausgiebig mit dem Thema Aufklärung von Kindern beschäftigt und bin auf drei Bücher gestoßen, die ich als sehr gelungen für die Aufklärung und Sensibilisierung von Kindern halte. Zwei davon sind direkt für den Kontakt mit Kindern gedacht, eins davon ist ein Sachbuch, dass Eltern als Ratgeber dient und eher ausführlich und ohne nennenswerte Bebilderung auskommt.
Buch für Kinder #1: „Leo’s Papa hat Krebs.“
„Leo’s Papa hat Krebs“ ist ein Gemeinschaftswerk von der Gestalttherapeutin und Psychoonkologin Sabine Brütting, der psychologischen Psychotherapeutin Dr. phil. Dipl.-Psych. Claudia Heinemann und der freiberuflichen Illustratorin Anke Hennings-Huep.
Das Buch ist aus der Sichtweise des kleinen Leo geschrieben, der eines Tages von seinen Eltern die Nachricht bekommt, dass sein Papa an Krebs erkrankt ist und dass vieles jetzt „ein bisschen anders wird“. Es beschreibt, in kindgerechter und leicht verständlicher Sprache, was Leo’s Papa in der Klinik durchstehen muss, wie es ihm unter dem Einfluss der Chemomedikamente ergeht, aber auch, dass Leo einfach auch weiterhin Leo bleiben darf, mit Freunden spielen darf und nicht immer nur an den blöden Krebs denken muss. Es erklärt aber auch, weshalb Leo’s Papa ganz dünn ist und keine Haare mehr hat, als er aus dem Krankenhaus kommt. Und wieso er schnell genervt ist, wenn Lisa und Leo sich streiten.
Das Buch umfasst insgesamt 40 Seiten, die durchweg schön illustriert und verständlich geschrieben sind. Der von den Autoren empfohlene Altersbereich für dieses Buch liegt bei 3 bis 7 Jahren. Die ISBN zum Bestellen lautet:
ISBN-10: 3867391300
ISBN-13: 978-3867391306
Erhältlich ist das Buch in jeder Buchhandlung oder als Kindle- und Buchversion beim großen Onlineversender mit A. Da ich Buchhandlungen nicht verlinken kann, bleibt mir hier also nur die Empfehlen via AMZN.
Das zweite Buch, dass ich euch vorstellen möchte, ist schon etwas ausführlicher. Auf 96 Seiten richtet sich die Autorin Frau Dr. Sarah Herlofsen an Kinder ab 6 Jahren. Das Buch ist somit gut für alle Kinder geeignet, für die „Leo’s Papa hat Krebs“ vielleicht schon zu verspielt ist. In unfangreichen Kapiteln behandelt „Wie ist das mit dem Krebs?“ ausführlich Themen wie:
Zellen
Was ist eine Zelle?
Woher kommen Zellen?
Wie lange lebt eine Zelle?
Was machen Zellen?
Woher wissen Zellen, was sie machen sollen?
Kranke Zellen
Was ist eine Krebszelle?
Wo im Körper kann man Krebs bekommen?
Wie entstehen Krebszellen?
Wo kommen diese Fehler her?
Wer kann Krebs bekommen?
Der Körper verteidigt sich
Was sind Abwehrzellen?
Was ist der Unterschied zwischen Krebs und anderen Krankheiten?
Wie können wir Krebs bekämpfen?
Der Körper braucht Hilfe
Was passiert bei einer Operation?
Was ist eine Chemotherapie?
Was passiert bei der Strahlentherapie?
Was ist eine Immuntherapie?
Was ist eine Stammzellentherapie?
Woher kommen die neuen Stammzellen?
Gesund werden
Wie lange dauert eine Krebserkrankung?
Kann man wieder gesund werden?
Kann man an Krebs sterben?
Was passiert mit dem Körper, wenn wir sterbern?
Nachwort für die Erwachsenen
Hilfreiche Adressen
Über die Autorin
Ausführlich bebildert und mit leicht verständlichen Texten fällt es Kindern im Grundschulalter recht leicht, die Texte zu verstehen. Am besten ist es jedoch immernoch, das Buch gemeinsam mit dem Kind zu lesen. So können Fragen direkt gestellt und beantwortet werden.
Auch dieses Buch solltet ihr in jeder Buchhandlung bekommen oder eben bequem via AMZN.
Buch für Erwachsene mit Kindern: „Was macht der Krebs mit uns?: Kindern die Krankheit ihrer Eltern erklären.“
Rund 200.000 Kinder und Jugendliche sind jedes Jahr allein in Deutschland mit betroffen, wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt. Für die Eltern kommt zu all dem persönlichen Stress im Umgang mit der Erkrankung noch das Problem, die Kinder einzubeziehen, ihnen all das zu erklären, was nun kommt und kommen kann. Das Buch „Was macht der Krebs mit uns?: Kindern die Krankheit ihrer Eltern erklären“ orientiert sich am Verlauf der Krankheit, macht Eltern die Wahrnehmung der Kinder deutlich und gibt viele Anregungen, wie und wann was getan werden sollte. Dabei geht es hauptsächlich darum, eine familiäre Kommunikation zu ermöglichen, um Kindern bei der Bewältigung der elterlichen Erkrankung zu helfen – und zwar bis hin zum Versterben des Elternteils. Frau Brütting hat zudem Kinder und Jugendliche ihrer Gruppenangebote eingeladen, zu bestimmten Aspekten selbst etwas zu schreiben. Diese O-Töne geben dem Buch eine besondere Note. Sehr offen werden hier sowohl die Nöte als auch die Wünsche und Sichtweisen der Kinder und Jugendlichen ausgedrückt.
Das Buch umfasst 168 Seiten und ist als Kindle- oder broschierte Version erhältlich.