(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 03.01.2024: Trennung nach fast vier Jahren. Trotz gemeisterter Höhen und Tiefen.

Triggerwarnung: Dieser Beitrag enthält die Schilderung starker Gefühle und verletzender Vorgänge.

02.01.2024. Heute ist es soweit. Es geht einfach nicht mehr.

Trotz vieler gemeisterter Höhen und Tiefen kamen wir nun endgültig an den Scheideweg.

Ein weiteres Zusammenbleiben war schlicht sinnlos. Trotz der vielen guten und schlechten Stunden, die wir in den letzten vier Jahren miteinander verbracht haben.

Die Trennung gestaltete sich, im Nachhinein betrachtet, jedoch recht steinig.

Ich hatte einen festen Termin, an dem die Trennung in trockene Tücher gebracht werden sollte. Dafür war der 02.01.2024 um 10:00 Uhr eingeplant.

Ich war etwa 15 Minuten vorher schon am ausgemachten Ort.

Und dann ging es ans Eingemachte. Ein Füllhorn an Gefühlen überkam mich:

Zuerst die Unsicherheit. Ist es das richtige, was ich hier tue? Werfe ich die Flinte zu früh ins Korn oder ist es der einzig richtige Weg?

Dann das bange Warten. Läuft alles so, wie ich es geplant habe? Verkrafte ich die Trennung so, wie ich sie mir vorgestellt habe?

Dann ging es zur Sache. Ein Gefühl der Taubheit überkam mich. Es fühlte sich an, als ob ich mir ins eigene Fleisch schneide. Ich bekam Hitzewallungen. Schweißausbrüche. Mir wurde schlecht, ich atmete flach.

Zum Schluss machte mir dann auch der Kreislauf noch einen Strich durch die Rechnung. Erst wurde mir schwarz vor Augen. Bis auf einen letzten Fleck im Fokus und dann reduzierte sich mein Hörvermögen auf ca. 30 %.

Dennoch bin ich der Meinung, dass es das richtige war. Nach fast vier Jahren. Vom 22.01.2020 bis also jetzt. 02.01.2024.

Ich denke, es war für mich einfach der richtige und ein wichtiger Schritt, um endgültig mit der Sache abzuschließen.

ICH BIN GLÜCKLICH, DASS ICH MEINEN PORT JETZT LOSBIN.

Mein Portkatheter über den ich insgesamt fast 30 Infusionen bekommen habe.

Gestern war es also soweit. Nach fast vier Jahren kam der Port raus. Ich hatte mir das ganze Unterfangen leichter vorgestellt. Rein kam er unter Vollnarkose. Beim Port Ex (Port raus – nicht verwechseln mit Export 😉) war ich so leichtsinnig und habe einer lokalen Anästhesie zugestimmt.

So liege ich nun also da, in der Asklepios Klinik Barmbek. Dem Ort an dem fast vier Jahre zuvor eine Reise mit Höhen und Tiefen, Tränen, Trauer, Freude und Lachen beginnen sollte.

Der Chirurg ist gut drauf und scherzt mit mir: „Was machen wir zuerst? Skalpell oder Narkose?“ Ich schlage zuerst die Betäubung vor. Er zwinkert mir zu und sagt: „So machen wir’s. Eine gute Entscheidung!“

Die Lokalanästhesie wird gesetzt. Es dauert etwas bis sie wirkt. Dann geht es los. Ich schildere den Vorgang detailliert. Bitte lies nur weiter, wenn du dafür bereit bist.

Den ersten Schnitt spüre ich nicht. Im weiteren Verlauf dann ein leichter Schmerz. Der Chirurg wechselt zur Schere. Jetzt merke ich, was gerade an und in mir vorgeht. So vieles kommt wieder in mir hoch. Ich merke, wie der Chirurg meine Haut auf der Brust öffnet, höre, wie er sie zerteilt. Es hört sich an, als würde man mit einer Schere dicken Stoff zerschneiden. Ich versuche mich zu beruhigen. Es klappt nur mäßig. Irgendwann beginnt mein Kreislauf verrück zu spielen. Ich bekomme den heftigsten Schweißausbruch, an den ich mich erinnern kann. Der Chirurg fragt, ob alles in Ordnung ist. Ich sage: „Ich fange gerade nur sehr an zu schwitzen.“ Das sei in Ordnung lässt mich der Chirurg wissen. Er schneidet gleichzeitig auch die recht breit gewordene Portnarbe mit aus, damit die neue etwas filigraner werden kann. Ich merke, wie mein Kreislauf aus den Fugen gerät. Der Chirurg fragt, ob der Kreislauf Schwierigkeiten bereiten würde. Ich bestätige. Er sagt: „Das ist nicht schlimm. Dann blutet es hier nicht so stark!“ Stark… dieser Chirurgenhumor.

Dann ist es geschafft. Der Port ist raus, ich bin wieder zugenäht. Als ich auf den Transportstuhl gesetzt werde, merke ich, wie mir schwindelig wird. Mein Sichtfeld verkleinert sich, wie bei einer sich schließenden Kamerablende. Von außen wird der schwarze Bereich immer größer. Ich sehe, wie der Chirurg mich durch die Gänge schiebt. Dann bin ich im Beobachtungsraum.

Ich erkenne nur noch das Gesicht einer Schwester. Ihr Namensschild oder Teile ihrer Kleidung sehe ich nicht mehr. Sie fragt mich etwas. Aber was? Ich kann nur sagen, dass ich gerade fast nichts höre. Sie fragt, ob ich mich kurz hinlegen möchte. Dann liege ich im Bett. Meine Sauerstoffsättigung wird gemessen. Irgendwo im 80er-Bereich. Normal ist alles zwischen 95 und 99 %. Der Blutdruck zeigt ein ähnlich schlechtes Bild. 85/53. Normalerweise habe ich zwischen 120/80 und 130/80. Dazu gesellen sich rasende Kopfschmerzen zu Komplettierung des unschönen Dreigestirns. Ich bekomme etwas zu trinken und einen Keks für den Blutzuckerspiegel. Dann irgendwann kann ich gehen. Der Kreislauf hat sich erholt, der Blutdruck pendelt sich bei 110/70 ein. Mehr wird es liegend wohl nicht mehr. Nur die Kopfschmerzen werden mich noch den restlichen Tag begleiten.

Jetzt schnell zurück zu meiner Herzdame. Sie hat mich morgens in die Klinik gebracht und während der gesamten OP geduldig gewartet. Wir stärken uns erstmal gemeinsam in der Filiale der Junge Bäckerei, die sich im Erdgeschoss der Klinik befindet.

Zuhause angekommen muss ich mich erst noch einmal hinlegen. Die Kopfschmerzen werde ich bis zum Abend aber nicht los. Ich liege bis um eins wach. Ich weiß nicht so recht, wie ich mich drehen oder wenden soll, ohne dass Druck auf der OP-Wunde liegt. Ich baue mir eine Burg aus Kissen, schlafe dann ein. Es sind knappe 3 Stunden. Dann bin ich wieder wach. Ich döse einige Male kurz weg. Alles erinner mich an die Nächte in der Klinik. Immer mal wieder wach, immer auf Hab-Acht-Stellung.

Dennoch glaube ich, dass der Weg komplett der richtige war und ich ihn genauso wieder gehen würde. Nur mit Vollnarkose bei der extrahierenden Port-OP.

Die Portentnahme markiert nun den Zielpunkt meiner Reise. Ich bin gespannt, was mich zukünftig erwartet.

(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 21.08.2020: Bewegung steht im Vordergrund, wenn auch noch nicht auf dem Reha-Plan.

Gestern war Ankommen die Devise. Heute ist erkunden angesagt. Mein Tagesplan liest sich wie folgt.

Der Tag beginnt recht früh. Um 7:00 Uhr soll ich schon bei den „Vampiren“ sein, wie die Schwestern von den anderen Mitarbeitern genannt werden. Und die Schwestern wollen natürlich ALLE nur eins von mir. Mein Blut. Wirklich alle. Denn meine Venen sind noch etwas skeptisch ob der Einrichtung hier. Einen Moment lang war es mucksmäuschenstill im Raum und so meine ich gehört zu haben: „Das sieht hier aber anders aus, als da wo man uns das letzte mal den Saft aus dem Arm gezogen hat! Wer sind diese Menschen? Ich habe Angst!“, flüstert die Vein basilica zur Vein mediana cubiti. „Ich auch, aber lass uns erstmal abwarten. Wird schon!“, antwortet die Vein mediana cubiti zuversichtlich. Die Vein Basilica ist davon noch nicht überzeugt und zieht sich schüchtern zurück. Und so kommt es, wie es kommen muss. Die erste Schwester sticht und…? Findet nichts. Ein paar klägliche Tröpfchen meines roten Betriebsmittels landen in der Monovette. Ich bin unzufrieden. Die Schwester auch. Sie bittet eine zweite Schwester zu Hilfe. Diese kommt hinzu, macht einen verzweifelten Gesichtsausdruck, als sie meine Armbeuge abtastet und sagt: „Ich möchte es mir mit Ihnen nicht am ersten Tag schon verscherzen. Ich hole Schwester … (Namen vergessen. Sorry. Chemobrain!) dazu.“. Und wie sollte es sein? Aller guten Dinge sind drei. Schwester Drei sticht, ich habe zwar das Gefühl, dass es daneben ging, und siehe da, das rote Zeug schießt in einem astreinen Strahl ins Röhrchen. Geht doch!

Danach habe ich noch ein wenig Zeit für mich, bevor ich um 8:30 Uhr zum Frühstück dackele. Danach steht ein Einführungsseminar in die Rehabilitation ein. Was bedeutet Rehabilitation, was sind die Zielsetzungen, gibt es Unterschiede usw. Abgehalten wird das Seminar wieder vom Chefarzt, ein sehr sympathischer und frischer Mensch.

Zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr habe ich erneut ein wenig Freizeit, die ich dazu nutze, eine kleine Tour mit dem Rad durch Ratzeburg zu drehen, Post wegzubringen und danach wieder den Röpersberg hinaufzustrampeln. Am Ende stehen nach nicht ganz 30 Minuten fast 9 km und über 102 Höhenmeter auf der Uhr.

Danach Mittagessen, die erste Ergotherapieanwendung, in der wir meine Griffkraft messen (ist im Normbereich, so viel kann ich verraten) und erste Balance und Gelenkübungen machen. Anschließend geht es für die Seminare „Essen und Trinken“ und „Vorstellung Ergotherapie“ wieder in den Seminarraum. Anschließend noch einmal ein wenig Freizeit und um 17:45 Uhr steht dann die Abendverpflegung auf dem Plan.

Nachdem die ganzen Punkte abgearbeitet sind, stehen wir die Einrichtungen zu freien Verfügung. Um 20:00 Uhr treibt es mich dann in den Fitnesspavillion, wo ich nach gefühlt zwei Jahren mal wieder Bankdrücken mache. Es sind nicht viele Gewichte auf der Stange, aber es reicht um mich auszupowern. Um 21:20 Uhr bin ich zurück auf meinem Zimmer, dusche noch flink und schaue mir zur Belohnung noch einen Film an: „Le Mans 66“ mit Christian Bale und Matt Damon. Guter Streifen!

Gute Nacht!