Triggerwarnung: Dieser Beitrag enthält die Schilderung starker Gefühle und verletzender Vorgänge.
02.01.2024. Heute ist es soweit. Es geht einfach nicht mehr.
Trotz vieler gemeisterter Höhen und Tiefen kamen wir nun endgültig an den Scheideweg.
Ein weiteres Zusammenbleiben war schlicht sinnlos. Trotz der vielen guten und schlechten Stunden, die wir in den letzten vier Jahren miteinander verbracht haben.
Die Trennung gestaltete sich, im Nachhinein betrachtet, jedoch recht steinig.
Ich hatte einen festen Termin, an dem die Trennung in trockene Tücher gebracht werden sollte. Dafür war der 02.01.2024 um 10:00 Uhr eingeplant.
Ich war etwa 15 Minuten vorher schon am ausgemachten Ort.
Und dann ging es ans Eingemachte. Ein Füllhorn an Gefühlen überkam mich:
Zuerst die Unsicherheit. Ist es das richtige, was ich hier tue? Werfe ich die Flinte zu früh ins Korn oder ist es der einzig richtige Weg?
Dann das bange Warten. Läuft alles so, wie ich es geplant habe? Verkrafte ich die Trennung so, wie ich sie mir vorgestellt habe?
Dann ging es zur Sache. Ein Gefühl der Taubheit überkam mich. Es fühlte sich an, als ob ich mir ins eigene Fleisch schneide. Ich bekam Hitzewallungen. Schweißausbrüche. Mir wurde schlecht, ich atmete flach.
Zum Schluss machte mir dann auch der Kreislauf noch einen Strich durch die Rechnung. Erst wurde mir schwarz vor Augen. Bis auf einen letzten Fleck im Fokus und dann reduzierte sich mein Hörvermögen auf ca. 30 %.
Dennoch bin ich der Meinung, dass es das richtige war. Nach fast vier Jahren. Vom 22.01.2020 bis also jetzt. 02.01.2024.
Ich denke, es war für mich einfach der richtige und ein wichtiger Schritt, um endgültig mit der Sache abzuschließen.
ICH BIN GLÜCKLICH, DASS ICH MEINEN PORT JETZT LOSBIN.

Gestern war es also soweit. Nach fast vier Jahren kam der Port raus. Ich hatte mir das ganze Unterfangen leichter vorgestellt. Rein kam er unter Vollnarkose. Beim Port Ex (Port raus – nicht verwechseln mit Export 😉) war ich so leichtsinnig und habe einer lokalen Anästhesie zugestimmt.
So liege ich nun also da, in der Asklepios Klinik Barmbek. Dem Ort an dem fast vier Jahre zuvor eine Reise mit Höhen und Tiefen, Tränen, Trauer, Freude und Lachen beginnen sollte.
Der Chirurg ist gut drauf und scherzt mit mir: „Was machen wir zuerst? Skalpell oder Narkose?“ Ich schlage zuerst die Betäubung vor. Er zwinkert mir zu und sagt: „So machen wir’s. Eine gute Entscheidung!“
Die Lokalanästhesie wird gesetzt. Es dauert etwas bis sie wirkt. Dann geht es los. Ich schildere den Vorgang detailliert. Bitte lies nur weiter, wenn du dafür bereit bist.
Den ersten Schnitt spüre ich nicht. Im weiteren Verlauf dann ein leichter Schmerz. Der Chirurg wechselt zur Schere. Jetzt merke ich, was gerade an und in mir vorgeht. So vieles kommt wieder in mir hoch. Ich merke, wie der Chirurg meine Haut auf der Brust öffnet, höre, wie er sie zerteilt. Es hört sich an, als würde man mit einer Schere dicken Stoff zerschneiden. Ich versuche mich zu beruhigen. Es klappt nur mäßig. Irgendwann beginnt mein Kreislauf verrück zu spielen. Ich bekomme den heftigsten Schweißausbruch, an den ich mich erinnern kann. Der Chirurg fragt, ob alles in Ordnung ist. Ich sage: „Ich fange gerade nur sehr an zu schwitzen.“ Das sei in Ordnung lässt mich der Chirurg wissen. Er schneidet gleichzeitig auch die recht breit gewordene Portnarbe mit aus, damit die neue etwas filigraner werden kann. Ich merke, wie mein Kreislauf aus den Fugen gerät. Der Chirurg fragt, ob der Kreislauf Schwierigkeiten bereiten würde. Ich bestätige. Er sagt: „Das ist nicht schlimm. Dann blutet es hier nicht so stark!“ Stark… dieser Chirurgenhumor.
Dann ist es geschafft. Der Port ist raus, ich bin wieder zugenäht. Als ich auf den Transportstuhl gesetzt werde, merke ich, wie mir schwindelig wird. Mein Sichtfeld verkleinert sich, wie bei einer sich schließenden Kamerablende. Von außen wird der schwarze Bereich immer größer. Ich sehe, wie der Chirurg mich durch die Gänge schiebt. Dann bin ich im Beobachtungsraum.
Ich erkenne nur noch das Gesicht einer Schwester. Ihr Namensschild oder Teile ihrer Kleidung sehe ich nicht mehr. Sie fragt mich etwas. Aber was? Ich kann nur sagen, dass ich gerade fast nichts höre. Sie fragt, ob ich mich kurz hinlegen möchte. Dann liege ich im Bett. Meine Sauerstoffsättigung wird gemessen. Irgendwo im 80er-Bereich. Normal ist alles zwischen 95 und 99 %. Der Blutdruck zeigt ein ähnlich schlechtes Bild. 85/53. Normalerweise habe ich zwischen 120/80 und 130/80. Dazu gesellen sich rasende Kopfschmerzen zu Komplettierung des unschönen Dreigestirns. Ich bekomme etwas zu trinken und einen Keks für den Blutzuckerspiegel. Dann irgendwann kann ich gehen. Der Kreislauf hat sich erholt, der Blutdruck pendelt sich bei 110/70 ein. Mehr wird es liegend wohl nicht mehr. Nur die Kopfschmerzen werden mich noch den restlichen Tag begleiten.
Jetzt schnell zurück zu meiner Herzdame. Sie hat mich morgens in die Klinik gebracht und während der gesamten OP geduldig gewartet. Wir stärken uns erstmal gemeinsam in der Filiale der Junge Bäckerei, die sich im Erdgeschoss der Klinik befindet.
Zuhause angekommen muss ich mich erst noch einmal hinlegen. Die Kopfschmerzen werde ich bis zum Abend aber nicht los. Ich liege bis um eins wach. Ich weiß nicht so recht, wie ich mich drehen oder wenden soll, ohne dass Druck auf der OP-Wunde liegt. Ich baue mir eine Burg aus Kissen, schlafe dann ein. Es sind knappe 3 Stunden. Dann bin ich wieder wach. Ich döse einige Male kurz weg. Alles erinner mich an die Nächte in der Klinik. Immer mal wieder wach, immer auf Hab-Acht-Stellung.
Dennoch glaube ich, dass der Weg komplett der richtige war und ich ihn genauso wieder gehen würde. Nur mit Vollnarkose bei der extrahierenden Port-OP.
Die Portentnahme markiert nun den Zielpunkt meiner Reise. Ich bin gespannt, was mich zukünftig erwartet.
